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What a feeling!
Mit Irene Cara stirbt eine Ikone der 80er Jahre
Natürlich waren die 80er das Jahrzehnt der klirrend-kalten Synthesizer. Ideal warnten: »Das ist gefährlich, lebensgefährlich, zu viel Gefühl!« Sie sangen aber auch: »Deine blauen Augen sind phänomenal. Wenn ich dich so anseh, ist mir alles andre egal.«
Irene Caras Augen waren braun. Aber das interessierte niemanden. Was sich wie ein Brandzeichen einprägte, war ihre Stimme. Wenn diese sich die Oktaven hochschwang, war nichts mehr egal. Dann endete schlagartig die »Eiszeit« (noch so ein ikonisches Ideal-Lied). Die Mädchen in den Kinosälen schmolzen dahin. Und auch den Jungs neben ihnen, die viel lieber »Rambo« oder »Octopussy« gesehen hätten, wurde warm ums Herz, weil sie vier Minuten lang spürten, dass es im Leben doch noch mehr gab als Verfolgungsjagden und Geballer. Nach dem Film gingen sie gemeinsam in die coole Cocktailbar. Und spätestens, wenn aus den sündhaft teuren Bang&Olufsen-Lautsprechern »Flashdance … what a feeling« ertönte, wurde das pinke kalte Neonlicht zum wärmenden Lagerfeuer.
Das war natürlich kitschig. Doch man vergisst heute gerne, dass die 80er – anders als die 90er, die den Kitsch nur noch in ironisch gebrochener Form ertragen konnten – ein Faible fürs Sentimentale hatten. Fürs Märchenhafte. Und keine war dafür derart prädestiniert wie Irene Cara. Denn ihr eigenes Leben glich einem Märchen.
Geboren wurde sie 1959 in der Bronx, einem Viertel von New York, das damals meist mit Raubüberfällen, Bandenkriegen und Drogenkriminalität in die Schlagzeilen kam. Irene war das jüngste von fünf Kindern eines Puerto-Ricaners und einer Kubanerin. Ihr Vater arbeitete in der Fabrik, ihre Mutter als Platzanweiserin im Kino. Doch beide hatten den American Dream verinnerlicht und setzten alle Hebel dafür in Bewegung, dass ihre dreijährige (!) Tochter am Schönheitswettbewerb »Little Miss America« teilnehmen konnte. Pädagogisch vielleicht zweifelhaft, aber wer fragt schon danach, wenn der Erfolg einem Recht gibt: Die kleine Irene kam unter die Top 5. Mit fünf erhielt sie Tanzunterricht und lernte nach Gehör Klavierspielen.
Im Alter von 21 sollte sie in dem Film »Fame – Der Weg zum Ruhm« (1980) einen Tanzpart übernehmen. Doch in dem Moment, als sie zu singen begann, waren Produzenten und Drehbuchautor derart hingerissen, dass kurzerhand eine Rolle für sie umgeschrieben wurde. Das gleichnamige Lied wurde ein Nummer-1-Hit und gewann einen Oscar. Drei Jahre später ging es sogar ohne Tanz. Giorgio Moroder hatte die Titelmelodie zu dem Film »Flashdance« komponiert. Doch ihm fehlten noch ein Text und eine Sängerin. Gemeinsam mit dem Billy-Idol-Produzenten Keith Forsey schrieb Irene Cara »Flashdance … what a feeling«. Es war ihr eigener Werdegang, den sie in Worte fasste: »Der Tanz ist ein Sinnbild für alles, was du in deinem Leben erreichen willst. Eine Metapher über eine Tänzerin, die durch das Beherrschen ihres Körpers beim Tanzen lernt, wie sie auch ihr Leben beherrschen kann.«
»Flashdance … what a feeling« wurde ein noch größerer Erfolg als ihr Titelsong zu »Fame«. Wieder gewann Irene Cara einen Oscar. Es gibt nicht wenige, die glauben bis heute, sie habe in dem Film auch die Hauptrolle gespielt (tatsächlich war es Jennifer Beals). Auch das ist typisch für die 80er: Nicht immer vermochte man sauber zwischen Sein und Schein zu unterscheiden.
Doch an dieser Stelle endet leider das Märchen. Ihre Plattenfirma versuchte, sie übers Ohr zu hauen, und sackte Millionengewinne ein. Monate, nachdem ihr Song in zahlreichen Ländern an der Spitze der Verkaufscharts angekommen war, erhielt sie nur 183 Dollar an Tantiemen. Es folgten ein zermürbender Rechtsstreit und eine verdeckte Schmutzkampagne, die sie ihre musikalische Karriere kostete, weil sie jahrelang kein neues Label fand. Als 1987 endlich ein neues Album von ihr erschien, interessierte sich niemand mehr für die Sängerin von »Flashdance«. Erst ab 1994 wurde Irene Cara an den Einnahmen ihres größten Hits beteiligt. Am 25. November 2022 starb sie in Florida. Sie wurde 63 Jahre alt.
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