- Kultur
- Rammstein
Lindemann vom Sockel geholt
Die Statue des Rammstein-Sängers wurde in Rostock gestohlen
Vielleicht erinnert sich noch der ein oder andere an die Bilder: Als der irakische Herrscher Saddam Hussein gestürzt wurde, holten im Frühjahr 2003 Regimegegner und US-Soldaten seine Statue in Bagdad vom Sockel. Vorangegangen war eine blutige Invasion einer Koalition, die von Washington geführt wurde. Moderne Bilderstürmerei sozusagen. Ein ähnlicher, aber zugleich auch ganz anderer Vorgang hat sich am Mittwoch im Rostocker Stadtteil Evershagen ereignet. Gestürzt wurde dieses Mal das Abbild von Till Lindemann, seines Zeichens Sänger der Musikgruppe Rammstein. Keine politische Tat, aber ein Verbrechen. Denn erstens ist das Kunstwerk aus Bronze – und damit nicht gerade billig. Und zweitens ist Lindemann durch seine besonders tiefe Art zu singen eine Hausnummer der deutschen Rockmusik. Zumindest wird er von einigen dafür gehalten.
Der Täter, die Täter oder auch die Täterin haben dem Sänger damit den 60. Geburtstag vermiest, der sich ebenfalls am Mittwoch ereignete. Die Statue wurde am Dienstag in der Hansestadt errichtet, weil Lindemann dort einen Teil seiner Jugend verbracht hatte. Seine Band Rammstein wurde in Berlin gegründet, er selbst in Leipzig geboren.
Was weiß man über das Kunstwerk? Nicht viel. Angefertigt wurde es von dem anonymen Künstler Roxxy Roxx, der auf Instagram seine Arbeit dokumentiert. Gezeigt werden da eine Zeichung von Ozzy Osbourne, seines Zeichens Sänger der Heavy-Metal-Pioniere Black Sabbath, eine Verfremdung des Ghostbusters-Logo ohne Geist, aber dafür mit dem Kopf des Frontmanns der schwedischen Rockband Ghost, sowie ein Bild von Alice Cooper ohne Augen.
Die Lindemann-Statue ist ebenfalls in Roxxy Roxxs Feed zu finden. In strammer Haltung steht Lindemann auf dem Sockel, seine Arme muskulös wie bei einem Bauarbeiter, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, dazu Schnürstiefel und ein Mikrofon ans linke Hosenbein gesteckt. Ein harter Hund steht vor einem, so der Eindruck des Betrachters. Doch die Erscheinung in unmittelbarer Nähe einiger sehr hübscher Rostocker Plattenbauten erinnert mehr an einen auf arisch getrimmten Bergarbeiter aus Bolivien als an einen Rockstar mit internationalem Ruhm. Auffällig auch das Gesicht der Statue, für das sich der Künstler offenbar von dem Droiden C-3PO aus Star Wars inspirieren ließ.
Kurios: Vor rund dreieinhalb Jahren wurde in der Hansestadt bereits eine andere Statue gestohlen. Künstler war damals auch Roxxy Roxx, der im Juli 2019 von dem aus Mecklenburg-Vorpommern stammenden Rapper Marteria eine 1,30 Meter hohe Skulptur angefertigt hatte. Tatort war damals die Rostocker Innenstadt. Roxxy Roxxs Statuen sind also begehrt – zumindest begehrter als die des verjagten Diktators aus dem Zweistromland. An dessen Stelle steht nun eine abstrakte Statue, die die Freiheit symbolisieren soll. In Evershagen stand nur noch der Sockel.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.