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Früher indischer Filmfeminismus: Miteinander!

Das Kollektiv lag nicht schief: Der Kunstraum SAVVY Contemporary zeigt Produktionen von Yugantar, dem ersten feministischen Filmkollektiv Indiens

  • Inga Dreyer
  • Lesedauer: 3 Min.
Bis heute nicht ganz klar: Wie streiken wir richtig? Ein Lehrfilm von 1982.
Bis heute nicht ganz klar: Wie streiken wir richtig? Ein Lehrfilm von 1982.

Bei der Fabrikarbeit, auf dem Land und im Haushalt: Auf vier großen Leinwänden zeigt der Kunstraum SAVVY Contemporary in Berlin bis zum 26. Februar vier Filme über politische Kämpfe von Frauen, die das Yugantar-Filmkollektiv in den 80er Jahren gedreht hat. Es war das erste feministische Filmkollektiv Indiens. Seine Produktionen geben Einblicke in unterschiedliche Orte und gesellschaftliche Bereiche, in denen sich Frauen zu dieser Zeit für ihre Rechte einsetzten. 

In »Molkarin« von 1981 geht es um die prekäre Situation weiblicher Hausangestellter im westindischen Pune. Die Protagonistin Subdahara fordert von ihrer Arbeitgeberin eine Gehaltserhöhung. Als diese stattdessen eine andere Hausangestellte einstellt, zettelt Subdahara einen Streik an. Frauen versammeln sich und berichten einander von geringen Löhnen und ausbeuterischen Verhältnissen. Eine von ihnen erzählt, ihre Chefin habe gesagt: »Schick deinen Sohn, um das Auto zu waschen.« Doch das würde sie niemals tun, auch wenn sie bis zum Umfallen arbeiten müsse. »Ich schicke meinen Sohn zur Schule, nicht zur Arbeit.«

Andere Filme handeln von der Situation von Frauen in der Tabakindustrie (»Tambaku Chaakila Oob Ali«, 1982) oder auf dem Land in einem Dorf im Himalaya (»Sudesha«, 1983), wo sich eine Umweltbewegung gründet.

Das Kollektiv habe nur vier Jahre existiert, seine Filme seien niemals im Fernsehen gezeigt worden, sagt Abhishek Nilamber, Kurator der Ausstellung. Sie dienten dem Kollektiv als politisches Anschauungsmaterial, mit dem seine Mitglieder auf Tour gingen, um zum Beispiel Fabrikarbeiter*innen zu zeigen, wie sie einen Streik organisieren können. Deshalb seien diese Filme auch nicht rein dokumentarisch, erläutert Nilamber, sondern Reinszenierungen bestimmter Ereignisse wie eines großen Streiks der Tabakarbeiter*innen mit Tausenden von Menschen.

Das Material wurde vom Arsenal, Institut für Film und Videokunst, digital restauriert. Nun zeigt es SAVVY Contemporary in Kooperation mit der Programmreihe Forum Expanded der Berlinale, die vom Arsenal kuratiert und organisiert wird. Mit der Ausstellung »Our Daughters Shall Inherit the Wealth of Our Stories« will der Weddinger Kunstraum den Geist des Miteinanders aktivieren – durch den Blick auf die Ergebnisse kollektiven Filmemachens, aber auch durch Veranstaltungen, bei denen Besucher*innen ins Gespräch kommen können.

Hinter der großen Glasfront des Eckgebäudes am Nettelbeckplatz, wo SAVVY Contemporary mit seinen großen glitzernden Buchstaben vor dunkelgrauer Fassade Aufmerksamkeit erregt, liegen Kissen und Teppiche aus – ein Ort, um sich zusammenzusetzen und zu diskutieren oder über das Gesehene und Gehörte nachzudenken. Bis zum Ende der Berlinale wird dort jeden Tag von 13 bis 14 Uhr zum gemeinsamen Mittagessen eingeladen und anschließend bis 16 Uhr zu Baithaks, Zusammenkünften, die Gelegenheit zum Austausch über kollektivistisches Denken und Tun bieten sollen. Bisher waren unter anderem Deepa Dhanraj, Gründungsmitglied des Yugantar Film Collective, die Wissenschaftlerin und Kuratorin Nicole Wolf sowie Vertreterinnen von Women In Exile zu Gast. Für Samstag ist ein Besuch des Critical Pakistan & India Justice Projects geplant.

Die Idee zur Ausstellung habe sich aus den Erfahrungen der letzten Jahre entwickelt, sagt Abhishek Nilamber. Gerade in letzter Zeit habe die Welt vor vielen natürlichen und menschengemachten Herausforderungen gestanden. Weil die Regierungen darauf nicht unbedingt adäquat reagierten, hätten sich vielerorts kollektive Formen der Selbsthilfe gegründet. »Wenn es Probleme oder Krisen gibt, halten Menschen zusammen. Daraus lässt sich lernen«, sagt Nilamber. Genauso wie von den Filmen des Yugantar Film Collectives: »Uns wurde klar, dass sie genauso wichtig sind wie damals.« 

»Our Daughters Shall Inherit the Wealth of Our Stories. The Imaginactivism of Yugantar Film Collective«, Filme, Ausstellung und Baithaks bis 26.2., täglich 13 bis 19 Uhr, SAVVY Contemporary, Reinickendorfer Straße 17, Berlin

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