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  • »Die Stunde der Hyänen«

In Kreuzberg brennen die Autos

Blöde Männer und starke Frauen: Mit »Die Stunde der Hyänen« hat Johannes Groschupf den Deutschen Krimipreis gewonnen

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Berliner Schriftsteller Johannes Groschupf ist für den deutschen Krimibetrieb eine wichtige Hausnummer. Mit seinem Roman »Berlin Prepper« gewann er 2019 den Deutschen Krimipreis und schaffte es mit »Berlin Heat« zwei Jahre später auf den zweiten Platz. Nun ist er mit »Die Stunde der Hyänen« wieder auf Platz eins gelandet.

Wie üblich bei Johannes Groschupf geht es darin um Politik, Zeitgeschichte und großstädtischen Alltag. Vor gut zehn Jahren brannten nachts oft Autos in Berlin. Zahlreiche Politiker, die Polizei und die Medien arbeiteten sich über Monate hinweg an dem Thema ab. Ob es sich dabei wirklich vor allem um politisch motivierte Straftaten handelte, wie viele Law and Order-Vertreter glaubten, oder einfach um frustrierte Menschen, Nachahmungstäter oder Pyromanen, blieb lange unklar. Auch die eine oder andere Festnahme brachte keine einleuchtende Aufklärung. Die Autos brannten einfach weiter.

Nun hat sich Johannes Groschupf in seinem Roman »Die Stunde der Hyänen« des Themas angenommen und für dieses Buch erneut den deutschen Krimipreis erhalten.

Der 1963 in Lüneburg geborene und seit den frühen 1980er Jahren in Berlin lebende Autor hatte 2009 mit »Hinterhofhelden« seinen ersten Berlin-Roman mit Kiez-Credibility veröffentlicht. Das war eine sympathische, in Nord-Neukölln angesiedelte Coming of Age-Geschichte. »Die Stunde der Hyänen« spielt fast ausschließlich in Kreuzberg und erzählt von einer die Bevölkerung in Atem haltenden Brandserie, bei der über Wochen hinweg ein Auto nach dem anderen abgefackelt wird. Dabei wird zu Beginn ein aus Osteuropa kommender Obdachloser schwer verletzt, der den Anschlag auf sein Auto, in dem er schläft, gerade so überlebt. Bald darauf brennt wieder ein Auto, dann noch eins und schließlich greift das Feuer auch auf eine Buchhandlung über, und beinahe steht ein Haus in Flammen, was die Feuerwehr im letzten Moment verhindern kann.

Der Täter ist aber kein politischer Extremist oder ein Dealer aus dem nahe gelegenen Park, wie sich das die bald immer nervöser und aggressiver werdende Nachbarschaft zusammenfantasiert, sondern der harmlos wirkende 20-jährige Maurice Jaenisch, Postbote in Ausbildung und Mitglied einer reaktionären evangelikalen Gemeinde. Er legt die Feuer, um sich sexuell zu erregen. Gegen ihn ermittelt die ins Branddezernat strafversetzte Polizeibeamtin Romina Winter, eine Romni, deren Familie ebenfalls in der Gegend wohnt. Jette Geppert, eine Kreuzberger Journalistin aus der Nachbarschaft, soll für ihre Zeitung »Tagespost« den Fall recherchieren.

Der Krimischriftsteller Groschupf nimmt sich in seinen Romanen gerne gesellschaftspolitischer Trends an, betrachtet sie und dekliniert sie dann in süffigen Krimiplots durch. Auch in diesem Roman fächert er eine ganze Menge aktueller Themen auf. Denn die paranoide Mentalität der rassistischen Nachbarschaft, die sich als Opfergemeinschaft wähnt und bald als Bürgerwehr organisiert und vermeintliche Linke, angebliche Brandstifter und nicht-weiße Menschen durch die Straßen jagt, erinnert an die Neue Rechte und deren widerwärtige aggressive Gewalt.

Es geht aber auch viel um die evangelikale Gemeinde, zu der Maurice gehört, in der ein autoritäres Regime herrscht und jungen Frauen sexuelle Gewalt angetan wird. Der beinahe ums Leben gekommene Obdachlose wird zur medialen Figur und beginnt, im weißen Anzug Verzicht zu predigen. Doch er wird immer wieder von seiner Vergangenheit eingeholt. Als Lkw-Fahrer hatte er den Tod einer jungen Radfahrerin verschuldet. Und mit der Journalistin wird die Sensationslust der Medien vorgeführt, ein immer wiederkehrendes Thema in Groschupfs Büchern, der selbst als Journalist gearbeitet hat.

Auch wenn die sich bekämpfenden Charaktere fast zu vorhersehbar gestrickt sind, entwickelt der Roman dann doch ein ziemliches Tempo. Dabei wird klar, dass die Männer, egal ob die durchs gentrifizierte Kreuzberg ziehenden Rassisten der Bürgerwehr, der prügelnde Liebhaber der Journalistin, der widerliche Gemeindevorsteher, die sexistischen Vorgesetzten der strafversetzten Polizistin oder der Brände legende Maurice die eigentlichen Täter in dieser Geschichte sind.

Dagegen werden die taffen Frauen, wie die von ihren Polizei-Kollegen stets heruntergeputzte Romina Winter, die von ihrem Redakteur bis zum Umfallen zur Arbeit gezwungene Jette Geppert und die aus der Gemeinde fliehende Britta zu den eigentlichen Heldinnen, zu den »Hyänen« die im Buchtitel stehen, die sich schließlich von den bekloppten Männern nichts mehr gefallen lassen. Am Ende gibt es eine fast zu harmonische Auflösung: Ein zeitgenössisches Kreuzberger Märchen mit Happy End.

Johannes Groschupf: Die Stunde der Hyänen, Suhrkamp, 265 S., br. 16 €.

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