Antifaschistische Kundgebung in Florenz

Demonstrationsaufruf der Opposition und Bildungsgewerkschaften trifft auf breite Resonanz

  • Wolf H. Wagner, Florenz
  • Lesedauer: 3 Min.
Der italienische Antifaschistmus lebt: Kundgebung gegen die rechte Gewalt am Liceo Michelangelo am 21. Februar in Florenz
Der italienische Antifaschistmus lebt: Kundgebung gegen die rechte Gewalt am Liceo Michelangelo am 21. Februar in Florenz

Italienische Gewerkschaften sowie die Oppositionsparteien Partito Democratico (PD) und Movimento 5 Stelle (M5S) nahmen gemeinsam an einer antifaschistischen Demonstration in Florenz teil. Anlass der Kundgebung waren neonazistische Übergriffe auf Schüler*innen des »Liceo Michelangelo« in der Metropole am Arno. Es war das erste Zusammentreffen zwischen der neuen PD-Vorsitzenden Elly Schlein und dem M5S-Chef Giuseppe Conte. Der neu eröffnete Dialog zwischen beiden Parteien könnte zu gemeinsamen Aktionen gegen die in Rom amtierende postfaschistische Regierung Giorgia Melonis führen.

Etwa 40 000 Menschen waren dem Aufruf der Schulgewerkschaften gefolgt, an der großen antifaschistischen Demonstration in Florenz teilzunehmen. Die Veranstaltung war vor allem auch eine Solidaritätsbekundung mit der gemaßregelten Schulleiterin Annalisa Savino, die sich in einem öffentlichen Schreiben gegen jegliches Wiederaufleben des Faschismus gewandt hatte und dafür von Bildungsminister Giuseppe Valditara von der rechtsgerichteten Lega gerügt und mit disziplinarischen Maßnahmen bedroht worden war.

Anlass des Protestes der Schuldirektorin war ein neonazistischer Übergriff durch Mitglieder der postfaschistischen »Azione studentesca« auf Schüler*innen des klassischen Gymnasiums »Michelangelo«. Die Schüler*innen hatten gegen Flugblätter der Jugendorganisation der Regierungspartei Fratelli d’Italia protestiert und waren von den Mitgliedern der »Azione« verprügelt worden. Ein Video der Auseinandersetzungen zeigt, wie ein Schüler zu Boden geschlagen und getreten wird, bis eine Lehrerin den Auseinandersetzungen ein Ende bereitet.

Savino, Direktorin des benachbarten wissenschaftlichen »Liceo Leonardo da Vinci«, erklärte in ihrem Protest, auch der Faschismus habe nicht mit dem Auftreten Tausender, sondern in kleinen Straßenprügeleien begonnen. Dafür erhielt sie vom Schulminister Valditara eine Rüge und erntete von Regierungschefin Giorgia Meloni – einst selbst Vorsitzende der »Azione studentesca« – nur Schweigen.

Es gehe nicht um die Vertretung einer bestimmten politischen Meinung, sondern um die Verteidigung der Verfassung und der Demokratie, erklärten die Organisatoren der Demonstration am Samstag. Die neu gewählte Vorsitzende des PD, Elly Schlein, nutzte die Gelegenheit, um den eingefrorenen Dialog mit dem Chef des M5S, Giuseppe Conte, wieder aufzugreifen. Auch der Chef des größten italienischen Gewerkschaftsbundes CGIL, Maurizio Landini, mischte sich unter die Demonstrierenden.

Der herzliche Meinungsaustausch der beiden Parteivorsitzenden – Schlein und Conte umarmten sich und führten ein langes Gespräch – scheint die Eiszeit zwischen PD und M5S zu beenden. Gemeinsam wolle man für eine demokratische Schule, für Verbesserungen im Gesundheitswesen und generell für Respekt vor der demokratischen Verfassung eintreten, hieß es aus dem Umfeld der Parteichefs. Dissonanzen gebe es in der Haltung zur Ukraine: Während der PD Waffenlieferungen befürworte, spreche sich die Sternebewegung strikt dagegen aus. Die neue Annäherung der beiden wichtigsten Oppositionsparteien im Land macht Hoffnung, dass sie wirkungsvoll gegen die Politik der rechtsgerichteten Regierung Giorgia Melonis vorgehen.

Bildungsminister Valditara hatte den Anlass zur jüngsten Großdemonstration als »lächerliches Handgemenge zwischen Schülern« heruntergespielt. Der Oberbürgermeister von Florenz, Dario Nardella, warnte hingegen vor jeglicher Verharmlosung des Vorfalls und erinnerte an den »Squadrismo«, die Straßenschlachten in den frühen Jahren des italienischen Faschismus. Die ungarisch-italienische Schriftstellerin und Shoah-Überlebende Edit Bruck verurteilte die Aussagen Valditaras und forderte den Minister zum Rücktritt auf.

Nicht nur der Bildungsminister, sondern auch die Regierungschefin Meloni steht nach der Demonstration in Florenz im Fokus der Kritik. Ihr bisheriges Schweigen zur rechten Gewalt gibt Behauptungen der Opposition recht, die vielfach postulierte Abkehr von den faschistischen Traditionen ihrer Partei sei nur Rhetorik, die einer realen Grundlage entbehre.

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