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Kindergrundsicherung: Arme Familien – bitte hinten anstellen
Zur Kindergrundsicherung findet sich im Beschlusspapier des Koalitionsausschusses kein Wort
Seit einem Jahr gibt es eine interministerielle Arbeitsgruppe zur Kindergrundsicherung unter Federführung des Bundesfamilienministeriums. Denn der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP sieht vor, das Kindergeld sowie Grundsicherungsleistungen für arme Familien, Teile des Bildungs- und Teilhabepakets sowie den Kinderzuschlag für Geringverdienende in einer an einem »neu zu definierenden soziokulturellen Existenzminimum« orientierten Zahlung zu bündeln.
Doch in dem am Dienstagabend veröffentlichten Beschlusspapier des Koalitionsausschusses findet sich kein Wort zu diesem Thema. Auch im gemeinsamen Pressestatement der Parteivorsitzenden von SPD, Grünen und FDP, Lars Klingbeil, Ricarda Lang und Christian Lindner, kam es nicht vor.
Im Koalitionsvertrag heißt es dazu, man lege »in dieser Legislaturperiode die Grundlage für unser perspektivisches Ziel, künftig allein durch den Garantiebetrag den verfassungsrechtlichen Vorgaben nach Freistellung des kindlichen Existenzminimums bei der Besteuerung des Elterneinkommens zu entsprechen«. Ein darüber hinausgehender, vom Elterneinkommen abhängiger gestaffelter Zusatzbetrag soll demnach erst später auf den Weg gebracht werden.
Ein am 22. Februar von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) vorgestelltes Eckpunktepapier sieht die Einführung des Garantiebetrags erst für das Jahr 2025 vor. Zu dessen genauer Höhe findet sich darin noch kein Vorschlag. Paus rechnet aber mit jährlichen Zusatzkosten in Höhe von zwölf Milliarden Euro.
Finanzminister Christian Lindner (FDP) ging anschließend auf Distanz zum Gesamtvorhaben. Bei der Förderung von Kindern gehe es »nicht zwangsweise« um mehr Geld, sondern um Digitalisierung und Vereinfachung, gab er zu Protokoll. Zudem verwies er darauf, dass man mit mehr Leistungen für die Kinder die Integration erwerbsloser und nicht Deutsch sprechender Eltern in den Arbeitsmarkt erschwere.
Die Enttäuschung über die Leerstelle im Beschlusspapier ist bei den Sozialverbänden groß. »Die Ampel vertagt die Zukunft der Kinder auf den Sankt Nimmerleinstag«, rügte etwa der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers. Für eine umfassende Reform der Familienleistungen sei es mittlerweile »schon fast zu spät«, erklärte er und fügte hinzu: »Wenn 2025 die Kindergrundsicherung ausgezahlt werden soll, braucht es umfassende Gesetzesänderungen. Das braucht Zeit. Deshalb darf niemand in der Koalition auf Zeit spielen, sonst wird die Einführung einer Kindergrundsicherung in dieser Legislatur nicht gelingen.«
Hilgers warf insbesondere der SPD vor, sich nicht ausreichend für die Kindergrundsicherung stark zu machen. »Man gewinnt bei den öffentlichen Debatten den Eindruck, als sei das eine Idee der Grünen«, so Hilgers, der selbst der SPD angehört.
Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider, erklärte: »Anstatt die ganze Nacht über Autobahnkilometer zu feilschen, hätten die Koalitionäre auch darüber reden sollen, wie sie die dringenden sozialen Fragen unserer Zeit angehen möchten.« Michael Groß, Präsident der Arbeiterwohlfahrt, stellte klar, dass es sozialen Fortschritt »nicht zum Nulltarif« gebe. »Es kann doch nicht sein, dass sich die beiden größeren Koalitionspartner in Sachen Kindergrundsicherung weitestgehend einig sind und sich auch hier wieder von ihrem Juniorpartner derart ausbremsen lassen«, betonte er mit Blick auf die FDP.
Kanzler Olaf Scholz (SPD) äußerte sich am Mittwoch bei der Regierungsbefragung im Bundestag zum Thema und bat um Geduld: »Wir haben auch noch viele andere Reformvorhaben, denn es gibt einen großen Reformstau in Deutschland.« Die Ampel habe aber das Projekt Kindergrundsicherung im Koalitionsvertrag festgeschrieben und werde es auch umsetzen. Dabei gehe es darum, »dass die Leistungsansprüche, die da zur Verfügung stehen, auch tatsächlich benutzt werden«, sagte Scholz. »Wir wissen zum Beispiel von dem Kinderzuschlag, dass der nur zu knapp 30 Prozent genutzt wird – und das ist bitter, wenn man weiß, dass es um Familien geht, die wirklich arm sind, obwohl ein Elternteil oder beide Elternteile arbeiten«, fügte der Kanzler hinzu. Die Grundsicherung solle diesen Familien deshalb möglichst unbürokratisch verfügbar gemacht werden.
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