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Herzsignale besser verstehen
Plötzlicher Herztod: Männer und Freizeitsportler besonders gefährdet
Der plötzliche Herztod ist in Deutschland die häufigste Todesursache außerhalb von Krankenhäusern. Hier gibt es nicht nur die beobachteten Todesfälle, die innerhalb einer Stunde eintreten. Da Menschen teils erst Tage nach Todeseintritt aufgefunden werden, rechnen Ärzte mit einer bestimmten Dunkelziffer. In etwa 40 Prozent der Fälle sind die Betroffenen eines plötzlichen Herztodes im Alter zwischen 15 und 65 Jahren. Es kann also nicht davon ausgegangen werden, dass das Ereignis nur Senioren trifft. Im Alter unter 40 Jahren, so die Molekularbiologin Silke Kauferstein, kommt es schätzungsweise jährlich bis zu 2000 Todesfällen dieser Art in Deutschland.
Ein plötzlich auftretender Herzstillstand kann bei sofortigen Wiederbelebungsmaßnahmen überlebt werden. Insofern ermutigen Kardiologen wie Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung, dazu, dass eine Herzdruckmassage ausgeführt wird – nach der 112-Alarmierung. Da der Krankenwagen in der Regel acht bis 12 Minuten nach dem Notruf eintrifft, gebe es gute Überlebenschancen, so der Mediziner. Gelingt die Rettung, folgt in der Regel jedoch eine lange und schwere Krankheitsphase.
Mediziner schätzen, dass jedes Jahr in Deutschland 65 000 Menschen den plötzlichen Herztod erleiden. Unter ihnen sind mehr Männer als Frauen. In 80 Prozent der Fälle ist eine koronare Herzerkrankung (KHK) die Ursache. Dabei verkalken Herzkranzgefäße (die Koronararterien) und können dann den Herzmuskel nicht mehr mit sauerstoffreichem Blut versorgen. Bei jüngeren Menschen unter 35 Jahren macht diese Ursache nur knapp ein Viertel der Fälle von plötzlichem Herztod aus. In dieser Altersgruppe kam der drogeninduzierte Kreislaufstillstand häufiger vor. Als weitere Ursachen kommen angeborene Herzfehler, Anomalien der Herzkranzgefäße, Herzmuskelentzündungen und genetisch bedingte Herzerkrankungen ins Spiel. Diese Leiden können lange ohne eindeutige Beschwerden verlaufen, erklärt Kauferstein. Was lässt sich dafür tun, dass sie bemerkt und die unverhofften Todesfälle vermieden werden?
Ein Ansatzpunkt ist, über Warnhinweise aufzuklären, die doch in vielen Fällen auftreten: zum Beispiel unklare Ohnmachtsanfälle (Synkopen). Besonders wichtig ist das für potenzielle Risikogruppen, sagt Kauferstein. Die Wissenschaftlerin leitet das Zentrum für plötzlichen Herztod und familiäre Arrhythmiesyndrome am Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Frankfurt am Main. »Allen voran müssen Angehörige von jungen Menschen, die einen plötzlichen Herztod erlitten haben, für die Thematik sensibilisiert werden«, so die Biologin. Das Zentrum versucht mit den Angehörigen außerdem, die Todesursache herauszufinden. Dazu werden die Familien befragt, der vorliegende Befund wird für sie interpretiert. Genetische Untersuchungen werden gemacht, sowohl von Gewebe des Verstorbenen wie auch von Familienmitgliedern.
Mithilfe von vorliegenden Registerdaten lässt sich so genetisch bedingten Erkrankungen auf die Spur kommen. Kauferstein berichtet von einer Familie, in der es sechs plötzliche Todesfälle gegeben hatte. Bei drei weiteren Familienangehörigen konnte die genetische Anlage identifiziert werden, die Betroffenen werden mit Medikamenten versorgt. Eine Person erhielt einen Defibrillator implantiert, der Rhythmusstörungen des Herzens mit angepassten Stromstößen beendet.
Besondere öffentliche Aufmerksamkeit fand der Herzstillstand des dänischen Fußballers Christian Eriksen bei der Europameisterschaft 2021. Profisportler stehen jedoch unter engmaschiger sportmedizinischer Kontrolle, und im Wettkampf sind Rettungskräfte nah. Die konnten auch Eriksen mit einem Defibrillatorimpuls reanimieren.
In früheren Jahren waren Profis aber schon im jeweiligen Match an einem Herzstillstand verstorben. In Deutschland und anderen Ländern gibt es deshalb etwa seit dem Jahr 2000 eine flächendeckende Vorsorge für solche Fälle im Leistungssport, berichtet Tim Meyer, ärztlicher Direktor des Instituts für Sport- und Präventivmedizin an der Universität des Saarlandes. In Studien stellte sich zudem heraus, dass die unbemerkten Vorerkrankungen von Herzattacken betroffener Sportler in den USA, Italien und Frankreich jeweils andere waren. In Frankreich zeigte sich besonders häufig eine vorzeitige KHK, in den USA und Italien unterschiedliche Schäden am Herzmuskel.
Laut Meyer geschehen jedoch 99 Prozent der plötzlichen Herztodesfälle im Sport außerhalb des Leistungssports. Frauen sind kaum betroffen. Die meisten Fälle erleiden Männer zwischen 40 und 60 Jahren, am ehesten in den populären Sportarten Fußball, Laufen oder Tennis. Neu- und Wiedereinsteiger sind besonders gefährdet. Vorbild in der Prävention könnte Italien sein: Dort gilt eine Vorsorgeuntersuchungspflicht für alle Wettkampfsportler seit den 1980er Jahren. Hier zeigte sich ein klarer Rückgang der entsprechenden Todesfälle im langjährigen Verlauf.
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