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»Baracke« von Rainald Goetz: Mutter, Vater, Nazi

Wo bleibt der Feinsinn? Das Deutsche Theater Berlin bringt »Baracke« von Rainald Goetz in der Regie von Claudia Bossard zur Uraufführung

Die alten Geister spuken noch in der Inszenierung von »Baracke«.
Die alten Geister spuken noch in der Inszenierung von »Baracke«.

Dezenz ist Schwäche! So sagt man am Theater. Eine Binse, natürlich. Claudia Bossard aber, die Uraufführungsregisseurin von Rainald Goetz’ neuestem Stück »Baracke« am Deutschen Theater Berlin, hat ihren Schauspielerinnen und Schauspielern wirklich keine dezenten Töne genehmigt. Subtilität sucht man an diesem Bühnenabend, der am Freitag Premiere feierte, vergeblich.

Denkbar plakative, um nicht zu sagen banale Bilder prägen die knapp zweieinhalb Stunden Theater. Da wird schon mal eine Kloschüssel an die Rampe getragen, um daraus eine Deutschlandflagge zu bergen. Simple Botschaften flackern über Leinwände. Laute Musik sorgt für emotionalen Überschüss. Wo bleibt der Feinsinn?

Dabei ist doch Rainald Goetz fast so etwas wie ein Garant für sehens- und hörenswertes Theater. Seine zeitweilige Abwesenheit aus der literarischen Öffentlichkeit machte die Ankündigung der Uraufführung umso aufregender! Aber Bossard behandelt ihn wie einen toten Klassiker. Da werden von der Bühne zu Beginn Werktitel des Autors deklamiert – wozu auch immer. Zum Ende zitiert man Goetz’ berühmt gewordenen Auftritt im Rahmen des Literaturwettbewerbs in Klagenfurt, bei dem der Autor sich eindrucksvoll in die Stirn schnitt. Wozu die betulichen Referenzen? Ist der Text nicht stark genug, sodass man sich auf dessen Urheber kaprizieren muss?

Von diesem überaus wortmächtigen Schriftsteller bleibt nur die Marke Goetz übrig, wenn man szenisch so verfährt. Und plötzlich wähnt man sich in einer Parodie. Das ist der altbekannte Goetz-Sound – aber was ist das für ein Stück? Hier liefert man einen Literaten dem Theater aus, das offenbart, dass mitunter von einem großen Autor nur eine literarische Masche bleibt, mit der man scheinbar jedem Thema Herr wird.

Dabei hat »Baracke« einen ernstzunehmenden inhaltlichen Ausgangspunkt. Bea und Ramin bilden das, was eigentlich unmöglich scheint: ein Paar. Die Liebe zerbricht, und Bea wendet sich Uwe zu, mit dem etwas noch Unmöglicheres entsteht: eine Familie. Fein sezierend nimmt Goetz bürgerliche Illusionen auseinander und wagt den scharfen Blick auf die deutsche Gesellschaft. In die Geschichte von Bea und Uwe strickt sich eine andere, eine bekannte Erzählung ein. Zwei Uwes und eine Beate kennen wir auch als den Kern des mörderischen Neonaziterrors der jüngsten Vergangenheit. Es ist kein zufälliges Nebeneinander eines Gewaltregimes in der Familie und der Gewaltentladung durch faschistische Verbrecher, offenbart uns »Baracke«. Dafür findet Goetz durchaus starke Worte und begibt sich in gewohnt reflexive Tiefen.

Aber das ganze Unterfangen lässt einen auch ratlos zurück. Bei allen analytischen Stärken des Textes schnappt die Klischeefalle mehr als nur einmal zu. Und es ist eine unzulässige, letztlich ärgerliche Verkürzung, so zu tun, als wäre die Akte »Nationalsozialistischer Untergrund«, mit den Vorzeichen zwischenmenschlicher Schwierigkeiten, familiärer Disposition, psychischer Belastung gelesen, irgendwie zu verstehen. Der starre Blick auf die menschliche Determiniertheit lähmt das politische Handeln. Goetz’ Appell an menschliche Liebe und Solidarität mag gut gemeint sein, aber ändert daran herzlich wenig.

Nächste Vorstellungen: 1., 8. und 13. Oktober. www.deutschestheater.de

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