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Kein Geld für Kultur?
In den Berliner Haushaltsdebatten muss die freie Kulturszene um ihre Förderung kämpfen
Es hat lange gedauert, bis Ensembles der Alten Musik, die zur freien Szene gehören, in Berlin in die Kulturförderung des Senats aufgenommen wurden. Erst in der Amtszeit des Linke-Kultursenators Klaus Lederer nahm das eine nennenswerte Größenordnung an. Was gewiss auch daran lag, dass Lederer, auch ohne dass sein Amt ihn dazu genötigt hätte, neben vielen anderen Kulturveranstaltungen regelmäßig in Konzertsälen zu sehen war.
Die Aktivisten der Alten Musik, die sich der Aufführung vor allem von Renaissance-, Barock- und Frühklassikwerken möglichst so wie zu deren Entstehungszeit widmen, hatten lange um eine solche finanzielle Unterstützung gekämpft. Aber beispielsweise bei Lederers Vorgänger Tim Renner, einem Rock- und Poproduzenten, hatten sie keine besonders guten Karten. Solche Fördermittel – auch von Institutionen wie dem Hauptstadtkulturfonds, der Kulturstiftung des Bundes, der Kulturstiftung der Länder und der Lotto-Stiftung – sind indessen nötig, um Musik auf hohem Niveau zu produzieren, die Künstler angemessen zu bezahlen und die Kartenpreise im erschwinglichen Rahmen zu halten.
Zu denen, die von der Neuregelung der Finanzen unter Lederer profitierten, gehört die Lautten Compagney. Das innovative Ensemble um den Mitbegründer und künstlerischen Kopf Wolfgang Katschner hat sich mit Ausdauer, Fantasie und Experimentierfreude einen vorzüglichen Ruf erworben und erheblich dazu beigetragen, dass die Alte Musik ein wachsendes Publikum findet. Die Lautten Compagney, mehrfach preisgekrönt und ungemein produktiv, schlägt immer wieder Brücken zwischen Genres und Kunstepochen und veranstaltet seit vielen Jahren das kleine, exquisite »Aequinox«-Festival im brandenburgischen Neuruppin. Dass sie in die Förderung aufgenommen wurde, machte neue Projekte möglich, zu denen das neue Festival »Kalit« in der Uckermark gehört, das vornehmlich der Arbeit mit musikalischem Nachwuchs gewidmet ist und aus dem ein Jugendbarockensemble Berlin-Brandenburg hervorgehen soll.
Die Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl in Berlin im Februar 2023 – die Wahl im September 2021 hatte unter irregulären Bedingungen stattgefunden – brachte neue Mehrheitsverhältnisse. Statt Rot-Grün-Rot regieren nun CDU und SPD. Der neue Kultursenator heißt Joe Chialo und kommt von der CDU. Auch er war Rockmusiker und -produzent. Die unter seiner Ägide vorgelegte Finanzplanung für 2024 hielt für die Lautten Compagney eine böse Überraschung bereit: Die bisherige Basisförderung von 100 000 Euro vom Kultursenat, die erst für 2023 auf diese Summe verdoppelt worden war, sollte für das nächste Jahr wieder halbiert werden. Das wäre ein empfindlicher Einschnitt, der umso mehr irritiert, als die Lautten Compagney das einzige der namhafteren Ensembles der Alten Musik ist, das laut Etatplan Federn lassen sollte.
Deshalb kam es zu einem bemerkenswerten Aufschrei der Szene. In einem Appell, den man dramatisch nennen kann, setzt sich die Initiative »FREO – Freie Ensembles und Orchester in Deutschland« – für die Künstlerkollegen von der Lautten Compagney ein. In dem Appell wird darauf hingewiesen, dass diese seit Jahrzehnten wegweisende Arbeit leistet und mit ihren Fördermitteln äußerst effizient umgeht. Die geplante Kürzung der Basisförderung würde »das Wegbrechen von Personalstrukturen und eine Zersplitterung der künstlerischen Stammbesetzung« von heute 45 Musikerinnen und Musikern bedeuten, eine faire Vergütung der Mitwirkenden würde »in weite Ferne« rücken.
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In einem Statement verweist die Lautten Compagney selbst darauf, dass sie sich lange Zeit nur von Konzerteinnahmen finanzierte. Erst mit der 2020 begonnenen Basisförderung sei es möglich geworden, ein festes Team aufzubauen. Das sei nun gefährdet. Der Kultursenat erklärte auf nd-Anfrage, eine weitere Förderung in der bisherigen Höhe »wäre wünschenswert«, sei jedoch »angesichts der angespannten Haushaltslage des Landes aktuell schwierig«. Jedoch sei das letzte Wort noch nicht gesprochen; das Abgeordnetenhaus stecke noch in den Beratungen über den Jahresetat 2024.
Offenbar zeigten die Proteste Wirkung: Inzwischen befürworten im Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses alle Fraktionen die alte Fördersumme von 100 000 Euro für die Lautten Compagney. Die verweist darauf, dass zu Beginn der Förderung im Jahre 2020 eine stetige Steigerung der Fördersumme ins Auge gefasst worden sei. Das allerdings dürfte auch in den kommenden Jahren umkämpft sein. Denn in der gegenwärtigen Etatplanung für die beiden nächsten Jahre weist der Bereich Kultur die geringsten Steigerungsraten auf, und das geringe Plus wird zum größten Teil benötigt, um gestiegene Tarifgehälter zahlen zu können.
Für die vielen Freiberufler diverser Sparten wird es dagegen eng. Deshalb hatte die Koalition der Freien Szene Berlin im Sommer an den Regierenden Bürgermeister, den Finanz- und den Kultursenator appelliert, »die Kulturlandschaft in ihrer vollen Breite und Vielfalt zu sichern«. Speziell die freien Projekte und Akteure müssten dringend gestärkt werden. Und mittelfristig kündigen sich neue Probleme an. Der RBB bezeichnete kürzlich den Berliner Doppelhaushalt 2024/25 angesichts der Verschuldung des Landes und steigender Zinsen als »letzten Wohlfühlhaushalt« auf absehbare Zeit.
Wie man hört, war dem Kultursenator die Lautten Compagney bisher kein Begriff. Diese Wissenslücke lässt sich schließen. Das Ensemble setzt am 10. und 11. November im Berliner Humboldt-Forum seine Konzertreihe »Musical Belongings« fort, in der es um musikalische Begegnungen verschiedener Kulturkreise geht. Die Lautten Compagney will damit zu einer »postkolonialen Musikpraxis, die diesen Namen verdient«, beitragen. Diesmal werden die Barockmusiker mit Künstlern aus Lateinamerika auf der Bühne stehen. Ein keineswegs alltäglicher Abend. Vielleicht findet Joe Chialo die Zeit, sich das anzusehen.
Musical Belongings: Lautten Compagney trifft Native Music aus Lateinamerika, Humboldt-Forum Berlin, 10. und 11. November, 18 Uhr musikalische Einführung, 19 Uhr Konzert
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