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Berlinale 2024: Wer hat Anspruch auf Party?

Was die 74. Ausgabe der Berlinale schon vorab prägt, ist die Empörung über die Gästeliste der Eröffnungsgala.

Die diesjährige Berlinale ist gewöhnlich und besonders zugleich. Sie ist das letzte Festival unter der Leitung von Mariëtte Rissenbeek und Carlo Chatrian. Ab dem nächsten Jahr wird die US-Amerikanerin Tricia Tuttle die Filmfestspiele leiten. Bei dieser Ausgabe, die vom 15. bis 25. Februar stattfindet, wurde nicht nur die Anzahl der Filme wegen der Sparmaßnahmen reduziert (von 287 auf 239), sondern es wurden die Sektionen »Perspektive Deutsches Kino« und »Berlinale Series« komplett gestrichen.

Um den Goldenen Bären konkurrieren diesmal 20 Filme aus 30 Ländern. Neben der Verleihung des Goldenen Ehrenbären an Martin Scorsese sind vor allem Andreas Dresens »In Liebe, Eure Hilde« über die Widerstandskämpferin Hilde Coppi im Wettbewerb und Josef Haders Tragikomödie »Andrea lässt sich scheiden« im Panorama einige Highlights dieser Ausgabe. Wie immer sind nur wenige Filmemacherinnen im Wettbewerb vertreten (sechs), wie fast immer ist der Südkoreaner Hong Sangsoo mit einem Film dabei – diesmal mit Isabelle Huppert in der Hauptrolle. Und wie immer gibt es iranische Regisseur*innen, die von den dortigen Behörden daran gehindert wurden, nach Berlin zu reisen. Behtash Sanaeeha und Maryam Moghaddam, die 2021 ihr Werk »Ballad of a White Cow« im Wettbewerb zeigten, können nun bei der Premiere ihres neuen Films »Keyke mahboobe man« (My Favourite Cake) nicht anwesend sein. So viel über die gewöhnlichen oder unerfreulichen Fakten.

Doch das, was die diesjährige Berlinale besonders prägt, ist die Empörung über AfD-Mitglieder auf der Gästeliste der Eröffnungsgala im Vorfeld des Festivals. Auch dieses Jahr wurden verschiedene Politiker*innen zur Eröffnungszeremonie eingeladen, unter anderem einige von der AfD. Aber dieses Jahr gab es erstmals eine öffentliche Kritik daran, die dazu führte, dass die AfD-Vertreter*innen wieder von der Berlinale ausgeladen wurden.

Das ist das erste Mal, dass die Gästeliste und überhaupt der Einladungsprozess des Festivals derart unter die Lupe genommen wurden. Die Berlinale hat zunächst versucht, sich damit zu rechtfertigen, dass das Festival hauptsächlich vom Bund und vom Land Berlin finanziert wird und dass aufgrund der sogenannten Einladungsquoten immer etliche Politiker*innen des Abgeordnetenhauses vor allem durch den Berliner Senat Einladungen zur Gala erhalten. Nach dem Motto: Das haben wir schon immer so gemacht. Man hat außerdem über die Demokratie gesprochen. Die noch amtierende Geschäftsführerin der Berlinale Mariëtte Rissenbeek sprach von einem Dilemma.

In Hinsicht auf die Demokratie und das Dilemma fragt man sich: Besagt die Demokratie etwa, dass Politiker*innen, nur weil sie im Bundestag oder im Abgeordnetenhaus sitzen, einen Anspruch darauf haben, zu irgendwelchen Galas oder Festlichkeiten eingeladen zu werden? Und werden die Gästelisten zu besonderen Kulturveranstaltungen überhaupt demokratisch zusammengestellt?

Arbeitet man für eine Weile im hiesigen Kulturbereich, dann bekommt man ziemlich schnell mit, wie üblicherweise die Gästelisten bei den begehrten Kulturevents zustande kommen. Da mögen viele Faktoren wie Beziehungen, Lobbys, Reichweite und Prominenz eine Rolle spielen, aber bestimmt nicht die Demokratie. Man muss sich nur anschauen, wie es über Jahrzehnte die PR-Menschen und andere zuständige Mitarbeiter*innen mit beispielhafter Sorgfalt geschafft haben, dass manche Leute immer auf irgendwelchen Gästelisten landen – und andere nie. Dass beispielsweise nicht etablierten Künstler*innen oder Pressevertreter*innen von kleineren Medien keinerlei Zugang ermöglicht wird.

Wenn die Veranstalter*innen dieses Aussieben etwa in Bezug auf Medien schaffen, dann sollte es auch möglich sein, mit derselben Hingabe und Genauigkeit die Gäste der Eröffnungsgala so gezielt auszuwählen, dass bestimmte Politiker*innen nicht mit im Saal sitzen. Das klingt doch nicht so nach einem Dilemma. Auf anderer Ebene ist es ja seit Langem gang und gäbe. Da redet auch keiner über Demokratie oder irgendwelche Quoten.

Es bleibt die Frage, ob es denjenigen – allen voran den Festivalmacher*innen –, die sich sonst Sorgen machen, warum die Feinde der Demokratie und der offenen Gesellschaft nicht demokratisch Gala-Einladungen bekommen, nicht klar ist, dass eines der ersten Themen der AfD, würde sie an die Macht kommen, gerade die Abschaffung oder die Umwandlung der Berlinale zum »Deutschen Heimatfilm« wäre.

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