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Schaubühne: Oha, oha, oha!

Komödie ohne Tempo: An der Berliner Schaubühne blickt das Publikum mit Eugène Labiches »Die Affäre Rue de Lourcine« in die feinen Bürgerstuben

Rausch mit Folgen: »Die Affäre Rue de Lourcine«
Rausch mit Folgen: »Die Affäre Rue de Lourcine«

Der Salon des 19. Jahrhunderts ist natürlich schon lange tot. Heute lädt der Bürger wohl eher in den Wohnbereich innerhalb seines geräumigen Lofts. Die dort gepflegten Umgangsformen haben sich verändert. Aber sind sie heute wirklich so viel freier?

Kutschen ruft niemand mehr herbei – immerhin gibt es Uber. Einer Kohlenhändlerin läuft man mit Sicherheit nicht über den Weg. Mit einiger Wahrscheinlichkeit hingegen kann man einem Wärmepumpenmonteur begegnen. Aber hat sich bei all diesen – letztlich oberflächlichen – Verschiebungen so viel an der seelischen Verfasstheit des Bürgertums geändert, an dem Charakter des durchschnittlichen Emporkömmlings und des Geldadeligen, an deren Verhältnis zu ihren Mitmenschen und zum Gegenstand ihrer Obsessionen: Geld und Besitz?

Wohl nicht. Und weil das so ist, lässt sich Eugène Labiches »Die Affäre Rue de Lourcine«, ein Theaterstück immerhin aus dem vorvorletzten Jahrhundert, so auf die Bühne bringen, wie es ehedem von seinem Autor aufgeschrieben wurde. Eine lebendige Übersetzung wie die von Elfriede Jelinek vorausgesetzt.

Mit einem gehörigen Kater wacht Lenglumé auf. Er hatte sich am Vorabend zu einem Klassentreffen begeben und gehörig volllaufen lassen. Nun hat er mit einem Filmriss zu kämpfen – und wundert sich gehörig über den Mann neben ihm im Bett. Es handelt sich um seinen ehemaligen Mitschüler Mistingue, der sich in einem ganz ähnlichen Zustand befindet wie sein Gastgeber.

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Auf der Suche nach der verlorenen Erinnerung werden sie auf einen Zeitungsartikel gestoßen: Zwei flüchtige Männer haben im Rausch einen Mord an einer Kohlenhändlerin begangen. Die Indizien fügen sich zueinander: die kohlenschwarzen Hände, ein plötzlich aufgetauchter Damenschuh, das Haarteil einer Frau.

Jetzt geht es um alles, vielleicht nicht so sehr um Schuld und Sühne, aber immerhin um die eigene mühevoll aufgebaute Existenz. Das alles nimmt immer weiter an Fahrt auf: So lange, bis die Verkettung unglücklicher Ereignisse die zuvor unversehrte Fassade zum Einsturz brächte – stellte sich nicht alles als ein großes Missverständnis heraus.

Die Berliner Schaubühne am Lehniner Platz hat das Stück auf ihren Spielplan gesetzt. Premiere wurde am Sonntag gefeiert. 1988 hatte hier bereits der herausragende Regisseur und Fachmann fürs komische Fach Klaus Michael Grüber das Drama in Szene gesetzt. Für die aktuelle Inszenierung zeichnet der Regisseur Jan Bosse verantwortlich.

Zunächst tritt der zünftig mit einem Frack kostümierte Axel Wandtke in der Rolle des Dieners Justin auf die Szene, schiebt seinen übervollen Servierwagen über die Bühne, vergreift sich an Geschenken, die nicht ihm gelten, und widmet sich mit missmutiger Aufmerksamkeit seinem Herrn Lenglumé. Mehrmals stößt er dabei ein eindringliches »Oha!« aus. Der Auftritt hat Witz und Esprit. Aber so viel wie während dieser ersten Szene hat man an diesem 80-minütigen Theaterabend nicht wieder zu lachen.

Jan Bosse hat eine französische Komödie inszeniert. Aber eine Komödie lebt nicht zuletzt von ihrem Tempo, das in der Schaubühne aber nicht vernehmbar ist. Der Regisseur hat sich für die eine oder andere Slapstick-Nummer entschieden. Aber Slapstick braucht Rhythmus, um mehr zu sein als bloße Blödelei. So bleibt nur das Spiel mehrerer Darsteller, die nicht recht zueinanderfinden wollen. Es drängt die Spieler jeweils einzeln ins Licht, aber zum Witz der szenischen Selbstentlarvung gehören mindestens zwei: der sich Entlarvende und sein Zuschauer.

Ein übergroßes Bett steht auf der Bühne. Dem entsteigen die Trunkenen, hierhin zieht es sie immer wieder zurück. Wenn dem Zuschauer aber szenografisch der Einblick ins Schlafzimmer des Protagonisten versprochen wird, möchte er darum nicht betrogen sein. Es hilft nichts: Hier wird nichts offenbart über das hinaus, was der Text uns zu sagen hat. Einige der eingefügten, sehr anschaulichen Fremdtexte über die geldfixierte Gesellschaft bleiben in der Gesamtheit des Abends leider nur gut gemeint. Gerne hätte man an diesem Komödienabend auch ein wenig mehr gelacht.

Nächste Vorstellungen: 5., 6. und 7. März
www.schaubuehne.de

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