- Wirtschaft und Umwelt
- Energetische Gebäudesanierung
Ökosozialer Dreieckshandel
Die Kosten energetischer Gebäudesanierungen werden auf Mieter*innen abgewälzt
Die dieswöchige Wohn- und Klimapolitik gleicht einem Wechselbad der Gefühle. Zum vierten Mal in Folge überschreitet der Gebäudesektor die zulässige Emissionsmenge. Die Rate energetischer Gebäudesanierungen ist 2023 sogar gesunken, nur 0,7 Prozent der deutschen Wohnhäuser wurden saniert. Trotzdem verabschiedet die Ampel am Montag ein neues Klimaschutzgesetz, in dem sie die Sektorenziele abschafft. Umweltorganisationen befürchten, dass Deutschland die Klimaziele bis 2030 dadurch nicht mehr erreichen wird, der Expertenrat für Klimafragen fordert Sofortprogramme.
Für den Gebäudesektor traten am Mittwoch Verteter*innen des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und des Deutschen Mieterbunds (DMB) auf den Plan. Eine von ihnen beauftragte Studie des Instituts für Energie und Umweltforschung Heidelberg (Ifeu-Institut) solle dem vorherrschenden Kurs gegensteuern und aufzeigen, wie Kosten bei energetischen Sanierungen von Mietwohnungen sozialgerecht aufgeteilt werden können. Schließlich sei es in diesem Sektor, so Melanie Weber-Moritz, Bundesdirektorin des DMB, ganz im apokalyptischen Sprech der Umweltorganisationen »fünf nach zwölf«.
Der Status quo liefere wenig Anreiz zu energetischen Gebäudesanierungen, erklärt BUND-Geschäftsführerin Antje von Broock bei der Vorstellung der Studie. Bisher werden die Kosten an Mieter*innen weitergereicht, dabei verlieren im Endeffekt alle. Denn nach einer Sanierung steigen die Kaltmieten aufgrund der sogenannten Modernisierungsumlage stark an. Investieren Vermietende in die Modernisierung eines Gebäudes, können sie acht Prozent der Kosten auf die Mieter*innen übertragen. Werden Förderungen in Anspruch genommen, dürfen in manchen Fällen sogar zehn Prozent der Kosten auf die Mieter umgelegt werden.
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In einer 70-Quadratmeter-Wohnung sind das laut der Ifeu-Studie Mehrkosten von 82 bis 153 Euro im Monat – eingesparte Energiekosten bereits eingerechnet. »Je tiefer saniert wird, desto höher werden die Kosten für Mieter«, erklärt Peter Mellwig, Autor der Ifeu-Studie, die Berechnungen. Tiefe Sanierungen sind jene mit einem hohen Effizienzniveau für den Klimaschutz, beispielsweise die nachhaltige Dämmung von Häusern. »Einkommensschwache Haushalte leiden besonders unter den Kosten«, sagt Weber-Moritz. Dies schaffe insbesondere mit Blick auf die ohnehin explodierenden Mieten Probleme. Vermietende profitieren dagegen nicht von den Einsparungen, weil durch Sanierungen verringerte Heizkosten von Mieter*innen getragen würden.
Die Lösung des Problems ist laut BUND und DMB das Drittelmodell. Der Name spielt darauf an, klimafreundliche Gebäudesanierungen künftig »gerechter« zwischen Mietenden, Vermietenden und öffentlicher Hand zu verteilen. Dazu soll die Modernisierungsumlage auf drei Prozent gesenkt werden. Vermietende dürfen staatliche Fördermittel behalten, die sie zum heutigen Stand vor der Berechnung der Modernisierungsumlage abziehen müssen. Und die Ampel soll Fördersätze verdoppeln und langfristig zusichern, um Planungssicherheit zu ermöglichen. Der Staat spare sich dafür künftig Strafzahlungen an die EU bei Nichteinhaltung des Klimaabkommens und Investitionen in den Katastrophenschutz. »Wir schlagen vor, das Geld nachhaltig zu investieren«, fasst Broock zusammen. Gerade der Mietsektor hätte besonders viel Einsparungspotenzial bei Emissionen, da sich die meisten Mietwohnungen in Mehrfamilienhäusern befänden.
Wie sieht es mit klimasozialen Maßnahmen in der realpolitischen Umsetzung aus? Das SPD-geführte Bundesbauministerium habe die Studie von DMB und BUND zur Kenntnis genommen, heißt es gegenüber »nd«. Zuständig sei es aber nicht. Ein Sprecher verweist dagegen auf das geplante Neubauförderungsprogramm »Klimafreundlicher Neubau im Niedrigpreissegment«. Damit sollen Neubauten gefördert werden, die über den gesetzlich vorgeschriebenen Energieeffizienzstandard hinaus eine Einsparwirkung haben.
Für die Umsetzung energetischer Modernisierungsmaßnahmen ist das grüne Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz zuständig. Das verweist auf Nachfrage nach geplanten klimasozialen Maßnahmen auf die im Januar 2024 in Kraft getretene Bundesförderung für effiziente Gebäude, die den Austausch fossiler Heizungen durch Heizungen auf Basis erneuerbarer Energien bezuschusst.
Um Vorschläge zum Mietrecht kümmert sich wiederum das Justizministerium der FDP. Diese hatte sich während der Koalitionsverhandlungen auch für die Einführung einer Teilwarmmiete stark gemacht, in der sich die Modernisierungsumlage auflösen sollte. Aus dem Justizministerium hieß es auf nd-Anfrage, die Prüfung der Teilwarmmiete sei noch nicht abgeschlossen. Zu einer dem Drittelmodell entsprechenden Reform des Mietrechts gäbe es keine Pläne. Bisher wurde von der geplanten Mietrechtsreform nur die Mietpreisbremse umgesetzt.
Werden künftig nicht, wie beispielsweise im Drittelmodell vorgeschlagen, Anreize für eine klimafreundliche Gebäudesanierung geschaffen, könnten ordnungsrechtliche Schritte für Unternehmen notwendig werden, um die Klimaziele der EU einzuhalten. Nichtstun werde sich dennoch auch zukünftig am stärksten auf einkommensschwächere Mieter*innen auswirken, so Weber-Moritz.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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