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Keine Klimaziele ohne CO2-Entnahme
Weniger Treibhausgase auszustoßen reicht nicht mehr aus. Ab jetzt sind neue Technologien gefragt
Die vorrangige Aufgabe der Klimapolitik ist es, den Ausstoß von Treibhausgasen zu senken. Doch das allein wird nicht reichen. Folgt man den Szenarien des Weltklimarates IPCC, wird spätestens in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts die Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre im Mittelpunkt des weltweiten Klimaschutzes stehen. Angesichts der aktuellen Temperaturentwicklung ist das nicht überraschend. In den zwölf Monaten bis Januar 2024 lag die globale Durchschnittstemperatur laut dem EU-Klimadienst Copernicus 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau und erreichte damit bereits das Limit des Pariser Klimaabkommens. Ab 2050 braucht es demnach Netto-Negativ-Emissionen. Es müssen dann mehr Treibhausgase aus der Atmosphäre entfernt als ausgestoßen werden.
»Alle IPCC-Szenarien, die zu einer 1,5-Grad- oder auch Zwei-Grad-Erwärmung führen, beinhalten CO2-Entnahmen«, erläutert Oliver Geden, Leiter des Forschungsclusters Klimapolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik. Er ist einer der Autoren eines am Dienstag veröffentlichten Sachstandsberichts zur CO2-Entnahme. Fünf wissenschaftliche Einrichtungen waren daran beteiligt. Laut dem Report klafft eine riesige Lücke zwischen dem, was nötig wäre und dem, was geplant und technisch möglich ist. Der Bericht unterscheidet dabei konventionelle und neuartige CO2-Entnahme-Methoden.
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Ein Blumenstrauß aus Ansätzen
Unter die erste Kategorie fallen vor allem Aufforstung und Wiedervernässung von Mooren und Feuchtgebieten. Unter den neuen Methoden versammelt sich ein bunter Blumenstrauß von Ansätzen. Diese reichen von technischen Verfahren wie der Verbrennung von Biomasse und Speicherung des CO2 über die direkte Abscheidung von CO2 aus der Luft bis zu biochemischen Ideen wie der Düngung von Ozeanen, um die CO2-Aufnahme durch Algenwachstum zu erhöhen. Seit einigen Jahren fließen mehr Mittel in die Erforschung dieser neuen Methoden. Deren Umsetzung steckt aber noch in den Kinderschuhen. Von den etwa 2,2 Milliarden Tonnen CO2, die der Atmosphäre jedes Jahr durch menschliches Tun entzogen werden, entfallen nur 0,1 Prozent auf die neuen Ansätze. Fast alles wird bisher durch konventionelle Methoden erreicht, den Löwenanteil stemmt die Aufforstung, dazu kommen Wiedervernässung und Renaturierung von Graslandschaften.
Diese Maßnahmen sind weniger kontrovers, allerdings ist ihr Potenzial beschränkt. Die CO2-Aufnahme könne mit diesen Methoden noch bis zur Mitte des Jahrhunderts leicht ansteigen, erklärt Geden. Danach fehle es schlicht an Platz, um nicht in Konflikt mit etwa landwirtschaftlichen Flächen zu geraten. Außerdem seien natürliche CO2-Senken wie Wälder kurzlebiger und risikoanfälliger als zum Beispiel geologische CO2-Speicherstätten. Wissenschaftlich gibt es viel Unsicherheit darüber, wie sich verschiedene Ökosysteme unter den Bedingungen eines sich ändernden Klimas verhalten. Der Klimawandel selbst begünstigt Extremereignisse, wie etwa die Rekord-Waldbrände in Kanada im vergangenen Jahr, die auf einen Schlag große Mengen CO2 freisetzten.
Seit dem letzten Bericht vor eineinhalb Jahren sei zwar »nicht nichts« passiert, sagte Ko-Autor Jan Minx, Leiter der Forschungsgruppe Angewandte Nachhaltigkeitsforschung am Klimaforschungsinstitut MCC. Aber: »Die große Offensive ist ausgeblieben.« Tatsächlich war die CO2-Entnahme von den Autor*innen des letzten Berichtes auf zwei bis 2,1 Milliarden Tonnen geschätzt worden und fiel damit ähnlich aus wie dieses Jahr.
Technologie und Regeln: viel zu tun
Die Autoren des diesjährigen Berichts stellen deshalb klar: Ohne die neuen technischen Lösungen wird es nicht gehen. Paris-konforme Szenarien gehen davon aus, dass jährlich sieben bis neun Milliarden Tonnen CO2 aus der Atmosphäre entfernt werden müssen. Das entspricht in etwa der Menge, die gegenwärtig alle Wälder der Erde zusammen aufnehmen. Dies solle aber nicht das Herunterfahren von menschengemachten Emissionen ersetzen, betont Minx. »Die Priorität ist nicht nur das Aufskalieren der CO2-Entnahmen, sondern auch das tiefe und schnelle Senken der Treibhausgasemissionen.« Die kommenden Jahre müssen deshalb laut dem Bericht nicht nur große Fortschritte bei den Technologien bringen – auch auf regulatorischer Ebene gibt es viel zu tun.
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