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Krieg ist doch scheiße
Notizen zu einer neuen Ausstellung über Frauen im Widerstand gegen die Nazis in Berlin
»Europäische Einheit … kann nicht alle Probleme lösen; sie ist aber eine notwendige Bedingung für die Lösung.« Diese so aktuell anmutende Einsicht artikulierte Hilda Monte 1943. Die Jüdin und Sozialistin rief in zahlreichen Artikeln im britischen Exil zum vereinten Kampf gegen Nazideutschland auf, verfasste zwei leidenschaftliche Streitschriften, »How to conquer Hitler« (1940) und »Help Germany to revolt!« und unternahm mehrere geheime Missionen ins Reich der Bestie. Während der Rückkehr von der letzten, im April 1945, wurde sie beim heimlichen Grenzübertritt von Österreich in die Schweiz gestellt und angeschossen; kurz darauf erlag sie ihrer schweren Verwundung.
»Jungs, opfert euch nicht. Der Krieg ist doch scheiße«, ermunterte im September 1944 der vormalige Ufa- und nunmehrige Paramount-Star Marlene Dietrich, seit 1930 in den USA lebend, in einer Rundfunkansprache deutsche Soldaten, sich wahnwitzigen Welteroberern und Kriegsprofiteuren zu verweigern. Eine allzeit gültige Mahnung.
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»Wo immer in der Welt Menschen nach sozialer Gerechtigkeit, echter Freiheit und Menschlichkeit streben, kann man sich heimisch fühlen«, war Tony Sender überzeugt. Die in einer orthodoxen jüdischen Familie aufgewachsene Journalistin und Sozialdemokratin, eine der wenigen Frauen, die in der Weimarer Republik dem Reichstag angehörten und von den Nazis 1934 »ausgebürgert« wurde, hielt in der US-Emigration zahlreiche Vortäge über die Nazi-Diktatur und verfasste für den Geheimdienst OSS wertvolle Analysen.
Drei Frauen, die das Ihre taten, um das verbrecherischste Regime seit Menschengedenken zu bekämpfen – und mit den Völkern der Welt den Sieg über die Barbarei feiern konnten. Vielen anderen mutigen Frauen war dies nicht vergönnt. Etwa Judith Auer. Die in einer Schauspielerfamilie (Vallentin) geborene Stenografin und Kommunistin gehörte in Berlin einer Gruppe an, die Kontakte zum Saefkow-Jacob-Bästlein-Widerstandskreis hatte, einer der größten, reichsweit agierenden Organisation, der neben Arbeitern auch Künstler, Lehrer, Ärzte und Ingenieure angehörten. Die Mutter eines Kleinkindes wird im Juli 1944 verhaftet und stirbt im Oktober des Jahres im Zuchthaus Berlin-Plötzensee unterm Fallbeil.
Oder Maria Terwiel. Die gläubige Katholikin, die ihr Jurastudium nicht beenden konnte, da sie gemäß der Nürnberger Rassegesetze von 1935 als »Halbjüdin« galt, schrieb Flugblätter und half Tausende Klebezettel in ganz Berlin gegen die Goebbel’sche Hetzausstellung »Das Sowjetparadies« zu verteilen. Den am 18. Mai 1942 verübten Brandanschlag auf die von über einer Million Deutschen innerhalb weniger Wochen besuchten Propagandaschau im Lustgarten bezahlten die jüdischen Jungkommunisten um Marianne und Herbert Baum mehrheitlich mit dem Leben. Maria Terwiel, die zudem Verbindung zu der von der Gestapo »Rote Kapelle« genannten Widerstandsorganisation unterhielt, wird im September 1942 verhaftet und ein Jahr darauf in Plötzensee hingerichtet. Oder Elisabeth Schumacher, Gebrauchsgrafikerin, die mit ihrem Mann, dem Bildhauer Kurt Schumacher, ebenfalls zum Netzwerk der »Roten Kapelle« gehörte und im Sommer 1942 den von Moskau hinter den deutschen Linien mit einem Fallschirm abgesetzten ehemaligen Spanienkämpfer Albert Hößler in ihrer Wohnung aufnahm. Sie wird im September 1942 verhaftet, zum Tode verurteilt und noch im Dezember ermordet.
Auch an diese drei Frauen erinnert die neue Sonderausstellung »Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus« in der Berliner Gedenkstätte Deutscher Widerstand. Die durch den Regierenden Bürgermeister Westberlins Richard von Weizsäcker 1983 angeregte und unter der Ägide des Historikers Peter Steinbach erarbeitete, am 20. Juli 1989 eröffnete Dauerausstellung in der Berliner Stauffenbergstraße würdigte erstmals den deutschen Widerstand gegen Hitler in seiner gesamten Breite. Ohne Ausgrenzungen und Aburteilungen. Weshalb sich die Gedenkstätte alsbald massiven Attacken ausgesetzt sah – einhergehend mit der Abwicklung der DDR und deren bundesrepublikanischen Geschichtsbildern konträr gegenüberstehendem Verständnis von Antifaschismus.
Die Würdigung von Kommunisten sowie des von kriegsgefangenen Wehrmachtsangehörigen 1943 in der Sowjetunion gegründeten Nationalkomitees Freies Deutschland erregte den Unmut einiger. Steinbach und seine Mannen ließen sich nicht beirren, blieben standhaft, bestärkt durch die Unterstützung ehemaliger Widerstandskämpfer und Hinterbliebener, darunter Freya von Moltke, Franz von Hammerstein und Detlef Graf von Schwerin aus der aristokratisch-militärischen Opposition, dem Schriftsteller Stefan Heym, der mit der US-Army nach Deutschland zurückgekehrt ist, sowie Geschichtsprofessor Heinrich Scheel von der »Roten Kapelle« und Hans Coppi, Sohn von Hans und Hilde Coppi, Funker für eben jene Widerstandsorganisation um den Luftwaffenoffizier Harro Schulze-Boysen und den Nationökonomen Arvid Harnack.
Hans Coppi junior, der seine Eltern nicht kennenlernen durfte, keinen Monat alt war, als sein Vater hingerichtet wurde und kein Jahr alt zur Zeit der Ermordung der Mutter, war einer der nur noch zwei Angehörigen von NS-Opfern, die anwesend sein konnten bei der feierlichen Eröffnung der neuen Sonderausstellung im Bendlerblock, dem ehemaligen Sitz des Oberkommandos des Heeres der Wehrmacht und Hauptschauplatz des Umsturzversuches vom 20. Juli 1944. Coppi wurde namentlich begrüßt vom Gedenkstättenleiter Johannes Tuchel, aber auch der Kulturstaatsministerin Claudia Roth.
Die Grünen-Politikerin würdigte explizit den großen Anteil von Sozialisten, Kommunisten und Gewerkschaftern am Widerstand gegen ein menschenverachtendes System, zollte ihre Hochschätzung ebenso den widerständigen Frauen aus christlichen und unpolitischen Kreisen: »Meine Heldinnen.« Claudia Roth beklagte Versäumnisse in der bundesdeutschen Erinnerungspolitik und Widerstandsforschung und sprach einseitige Fokussierung in der DDR an. »Es wurde versäumt, die Zeitzeuginnen und Überlebenden zu fragen«, kritisierte sie, um sodann anzumerken: »Aber auch die Frauen selbst schwiegen, die Opfer blieben stumm.« Da wäre zu fragen: Warum? Es war das antikommunistische, aggressiv-revanchistische und revisionistische Umfeld in der Bundesrepublik und das sich dort jahrzehntelang haltende NS-Stigma der »Landesverräter«, vor allem gegenüber den Frauen und Männern der »Roten Kapelle«, anfangs auch des 20. Juli.
Zu Recht betonte die Ministerin die Wichtigkeit der Erinnerung an die widerständigen Frauen. Ihr kommunaler Amtskollege Joe Chialo rühmte frühe Ehrungen in Berlin, das »die Hauptstadt des Nationalsozialismus war, aber auch des Widerstands«. Von den deutschlandweit während der NS-Zeit dank »Stiller Helden« untergetauchten über 10 000 Juden überlebten allein 5000 in der Anonymität der Großstadt Berlin, wo Laubenkolonien günstige Verstecke boten und ein ausgedehnter Schwarzmarkt die Versorgung der Verfolgten erleichterte. In der politischen Würdigung des Widerstandes habe sich Berlin früh verdient gemacht, lobte Chialo und verwies auf die Einrichtung einer Gedenkstätte in Plötzensee 1952. Bis 1966 seien mehr als 740 »unbesungene Helden« vom Senat geehrt worden, »eine einzigartige Initiative«. Die allerdings, so wäre zu ergänzen, beschränkt blieb durch tradierte Vorurteile und nazistische Verleumdungen, weiterhin ausgrenzte und aburteilte. Im Blick hatte der christdemokratische Politiker nur den Westteil der Stadt. Bei einem Vergleich mit deren östlichem Pendant wäre seine Bilanz (beispielsweise bezüglich Ehrungen im öffentlichen Raum wie auch Auftritten von Zeitzeugen in Schulen) arg karg ausgefallen.
Gedenkstättenleiter Tuchel gab einen Überblick und eine erste Periodisierung des Widerstandes von Frauen unterm Hakenkreuz: Nach der Zerschlagung ihrer Organisationen bemühten sich jene, die bereits vor 1933 politisch aktiv waren, um den Wiederaufbau neuer, der erzwungenen Illegalität angepassten Strukturen. Die größte Flugblattaktion der Vorkriegszeit, ein »Offener Brief« der Zeugen Jehovas »An das bibelgläubige und Christus liebende Volk Deutschlands« vom 20. Juni 1937 sei vor allem von Frauen weitergetragen worden. Bis 1939 wurden fünf Todesurteile an Widerstandskämpferinnen vollstreckt, darunter an Lilo Herrmann, Kommunistin und Chemiestudentin aus Stuttgart sowie Mutter eines dreijährigen Jungen.
Mit Kriegsbeginn 1939 kam es zu »einer grundsätzlichen Verschärfung der Repressionen«, wie die Errichtung des Frauenkonzentrationslagers Ravensbrück und die Hinrichtung von 18 Frauen wegen politischer Betätigung bezeugt. Nach der Niederlage von Stalingrad bis Kriegsende sollte das Todesurteil 130 Widerstandskämpferinnen ereilen, darunter Mildred Harnack, Libertas Schulze-Boysen und Ilse Stöbe von der »Roten Kapelle«. Aber auch Frauen, die in Ermangelung männlicher Arbeitskräfte und trotz systematisch gewaltsamer Rekrutierung von Zwangsarbeitern aus ganz Europa entgegen dem NS-Frauenbild in der Produktion eingesetzt werden mussten und die nicht von der NS-Parole »Frauen schaffen für den Sieg!« begeistert waren. Jede kritische Äußerung konnte und wurde als »Wehrkraftzersetzung« oder »Untergrabung der Manneszucht« gnadenlos geahndet.
Dagmar Lieske vom Kuratorenteam konnte stolz vermelden, dass innerhalb von nur vier Jahren und trotz Einschränkungen während der Corona-Pandemie die Namen von 5500 regimekritischen Frauen recherchiert werden konnten, über 300 werden mit ihren Motiven und Schicksalen auf der Homepage der Gedenkstätte vorgestellt, 32 in der Ausstellung. Der Wissenschaftlerin war es wichtig, auch die genderspezifische Herangehensweise ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hervorzuheben: Worin unterschieden sich weiblicher und männlicher Widerstand, welche spezifischen Risiken gingen Frauen ein?
Die Ausstellung verdankt sich einem Auftrag des Bundestages 2019. Die Abgeordneten waren zur Erkenntnis gelangt, dass Frauenwiderstand gegen die NS-Diktatur weitgehend unbekannt ist, in Forschung und Gedenken unzureichend gewürdigt wird. Erinnert wird auch an ein lesbisches Paar. Else Klopsch und Hilde Radusch erwarben 1941 ein Laubengrundstück, das Verfolgten als Zuflucht diente. Die beiden sahen sich selbst auch nach 1945 Diskriminierung ausgesetzt, erhielten Drohbriefe und wurden nicht als Opfer anerkannt.
In der Ausstellung wurde auch evident, dass wer wissen wollte, auch wissen konnte, wie tapfer, vielseitig und geschickt Frauen dem Nazi-Terror Widerstand leisteten. Erich Maria Remarque (»Im Westen nichts Neues«) setzte seiner Schwester Elfriede Scholz, eine einfache Schneiderin und überzeugte Nazi-Gegnerin, die Hitler öffentlich den Tod wünschte und 1943 vom »Volksgerichtshof« zum Tode verurteilt wurde, mit seinem 1952 erschienenen Roman »Der Funke Leben« ein Denkmal. Elise Hampel, Näherin und Zellenleiterin in einer NS-Frauenschaft, die nach dem Tod ihres Bruders im »Blitzkrieg« der Wehrmacht gen West mit ihrem Mann mehr als 200 regimekritische Postkarten und Flugzettel schrieb und 1942 verhaftet, verurteilt und umgebracht wird, ist Protagonistin in Hans Falladas Roman »Jeder stirbt für sich allein«. Auch der Dramatiker Rolf Hochhuth wäre hier zu nennen. In der DDR machten sich um die Erinnerung an Frauenwiderstand die Historikerin Luise Kraushaar sowie die Schriftstellerin Elfriede Brüning verdient, um nur zwei Namen stellvertretend zu nennen. Zudem war es wahrlich nicht so, dass die einst widerständigen Frauen allesamt schwiegen, gleichwohl patriarchalische Gebaren nicht nur im Kapitalismus, sondern auch im realen Sozialismus sie weniger zu Wort kommen ließen.
Ein Besuch der neuen Sonderausstellung lohnt sich. Einzige Bekümmernis für die nd-Redakteurin war der Anblick eines vergilbten, vertrockneten Kranzes unter der Gedenktafel im Hof des Bendlerblocks, auf der die Namen der hier in der ersten Stunde des 21. Juli 1944 standrechtlich erschossenen Hitler-Attentäter zu lesen sind: Claus Schenk Graf von Stauffenberg, Friedrich Olbricht, Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim und Werner von Haeften sowie der kurz zuvor in seinem Dienstzimmer erschossene Generaloberst Ludwig Beck.
Gewiss, am nächsten Samstag, zur Gedenkstunde an den Putschversuch der Offiziere und der alljährlichen Vereidigung neuer Bundeswehrrekruten, wird ein frischer Kranz dort hängen. Die Peinlichkeit bleibt. Wie viel sind dem Senat respektive dem nebenan residierenden Bundesverteidigungsministerium und dessen obersten Dienstherrn Boris Pistorius, zuständig auch für den Bendlerblock, frische Gestecke oder Blumen für ermordete Hitler-Gegner wert?
Bis 3. November 2024, geöffnet Mo bis Fr, 9 bis 18 Uhr, Sa, So und an Feiertagen 10 bis 18 Uhr; Eintritt frei; www.frauen-im-widerstand-33-45.de
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