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Fredric Jameson: Das Ende der Geschichte
Ein Nachruf auf Fredric Jameson
Prominente Männer aus dem Wissenschaftsbetrieb zu betrauern, ist mir eigentlich kein Anliegen. Schon allein deshalb, weil andere das erledigen: Männer nämlich, die sich erwiesenermaßen nicht nur gerne und oft, sondern tatsächlich vorwiegend auf ihre Geschlechtsgenossen beziehen; ob tot oder lebendig. So verfuhr – schon ein kurzer Blick in einen beliebigen Aufsatz belegt es – auch der Hochschulprofessor Fredric Jameson. Dennoch ist mir der Literaturwissenschaftler, der am 22. September 2024 verstarb, einige Worte wert. Jameson war nämlich einer der letzten öffentlichen marxistischen Intellektuellen; sogar ein würdigender Nachruf in der »Zeit« konzediert dies, allerdings nicht ohne den Zusatz, der US-Amerikaner schiene »als Marxist spätestens seit dem Fall der Mauer und dem Ende der Geschichte, oder wenigstens des Kommunismus, in den 1990er Jahren etwas aus der Zeit gefallen«. Hier werden wieder einmal nicht die schlechten Verhältnisse kritisiert, sondern deren korrekte materialistische Analyse für überholt erklärt – während doch, gewissermaßen anders herum, gerade der Zustand der immer weiter fortbestehenden kapitalistischen Welt jedem vergangenen Plädoyer für die Notwendigkeit ihrer Überwindung recht gibt.
Wie viele Marxist*innen war Jameson, wie gesagt, Literaturwissenschaftler, und als Marxist war es seine Aufgabe, die Beschäftigung mit der Literatur als Ideologiekritik zu formulieren. Für Jamesons eigene Epoche bedeutet dies die Kritik der Postmoderne und ihrer theoretischen Ausformung, dem Poststrukturalismus. Er kam dieser Aufgabe nach und wies dabei vor allem die postmoderne Behauptung zurück, es gäbe keine Wahrheit. Damit richtete er sich auch gegen das Konstrukt vom »Ende der Geschichte«, das die bürgerlichen Eliten nach dem Zusammenbruch der Systemalternative ausgerufen hatten.
Sein vielleicht bekanntestes Werk verfasste der Literaturprofessor aus dem Mittleren Westen der USA im Jahr 1991, es trägt den Titel »Postmoderne. Zur Logik der Kultur im Spätkapitalismus«. In dieser temporalen Angabe drückt sich ein interessanter Optimismus bezüglich der Lebensdauer dieser monströsen Produktionsweise aus – ausgerechnet in dem Moment, in dem deren Sachwalter*innen ihren über Jahrzehnte mit erbitterter Härte und auf allen Ebenen geführten Vernichtungskrieg gegen den Sozialismus gewonnen hatten. Ein Nachrufer in der »Zeit« beschwichtigt rückblickend: »Wobei er mit der kulturellen Logik des Spätkapitalismus weniger den kapitalistischen Endpunkt meinte, sondern vielmehr den Kapitalismus in seiner Zeit.« Warum ausgerechnet der Neoliberalismus vielen Theoretiker*innen als letztes Stadium des Kapitalismus erschien, kann an dieser Stelle nicht ergründet werden. In seiner letzten Publikation zu Lebzeiten jedenfalls, »Inventions of a Present. The Novel in its Crisis of Globalization«, enthält Jameson sich dieser Deutung denn auch und spricht stattdessen vom »postindustriellen Kapitalismus«. Wie sich dieser Begriff zu der im selben Buch formulierten Diagnose verhält, das »Neue und Besondere am Roman heute ... ist, dass sie versuchen, aus der Position des Kollektivs zu schreiben – oder zumindest die Krise des Individuums registrieren, diese Position einzunehmen«, müssen nun andere Materialist*innen herausfinden.
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