Türkische Linke kriminalisiert

Prozess in Düsseldorf: hohe Haftstrafen gefordert

Trotz Krebserkrankung wird dem Musiker Ihsan Çibelik keine Haftverschonung gewährt. Die Staatsanwaltschaft fordert jetzt mehr als vier Jahre Haft für den türkischen Linken.
Trotz Krebserkrankung wird dem Musiker Ihsan Çibelik keine Haftverschonung gewährt. Die Staatsanwaltschaft fordert jetzt mehr als vier Jahre Haft für den türkischen Linken.

Ihsan Çibelik ist vielen Menschen türkischer Herkunft bekannt. Antifaschist*innen schätzen ihn als Musiker der linken Band Grup Yorum. Mit ihren Texten gegen Faschismus und Krieg füllt das vielköpfige Ensemble große Säle, in der Türkei wie auch in der Bundesrepublik. Doch wegen ihres politischen Engagements werden die Musiker auch immer wieder juristisch verfolgt. Einige sitzen in der Türkei im Gefängnis. Auch in Deutschland wurden mehrere Konzerte verboten oder konnten nur mit scharfen Polizeiauflagen stattfinden.

Und bereits seit Juni vergangenen Jahres läuft zudem gegen Çibelik und zwei weitere Beschuldigte vor dem Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf ein Verfahren wegen Unterstützung in einer »terroristischen Vereinigung im Ausland«, die nach Paragraf 129b des deutschen Strafgesetzbuches mit hohen Haftstrafen geahndet werden kann. Bereits seit Mai 2022 befinden sich die Angeklagten in Untersuchungshaft.

Jetzt hat die Staatsanwaltschaft für Çibelik eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten gefordert. Ihm sowie Serkan Küpeli und der Journalistin Özgül Emre wird vorgeworfen, das »Deutschlandkomitee« der DHKP-C (»Revolutionäre Volksbefreiungspartei – Front«) gebildet zu haben, die sowohl in Deutschland als auch in der Türkei verboten ist. Für Emre fordert die Staatsanwaltschaft sogar sechs Jahre Haft.

Für Ende Oktober wird die Urteilsverkündung erwartet. Trotz der langen Verfahrensdauer und mehrer Hungerstreiks der Angeklagten gegen ihre Haftbedingungen findet der Prozess selbst in der linken Öffentlichkeit wenig Aufmerksamkeit. Dabei ist Ihsan Çibelik an Krebs erkrankt. Solidaritätskomitees fordern daher seine Freilassung aus der Untersuchungshaft aus humanitären Gründen.

Der Verein Demokratischer Jurist*innen (VDJ), der das Verfahren beobachtet, übt darüber hinaus grundsätzliche Kritik an diesem und weiteren Verfahren gegen türkischstämmige Linke. »Den Angeklagten werden nicht Terrorakte oder eigene strafbare Handlungen vorgeworfen. Sie werden vielmehr für Tätigkeiten wie die Organisation von Musikveranstaltungen und Tagungen zur Rechenschaft gezogen, weil diese eine Unterstützung der als Terrororganisation eingestuften DHKP-C darstellen sollen«, heißt es in einer Erklärung des VDJ.

In allen Verfahren gegen angebliche Unterstützer*innen und Mitglieder der DHKP-C stütze sich die Einordnung im Wesentlichen auf Einschätzungen der türkischen Behörden, moniert der VDJ weiter. Dies gelte auch für Verfahren gegen vermeintliche Mitglieder der Kurdischen Arbeiterpartei PKK. Zuletzt war am 2. September ein mutmaßlicher PKK-Funktionär vom OLG Hamburg zu vier Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden.

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