Pflegestützpunkte in Berlin: Wegweiser im Dschungel

Pflegestützpunkte beraten Angehörige von Pflegefällen – und fordern mehr Unterstützung

Eine Pflegerin betreut eine Frau in einem Seniorenpflegeheim.
Eine Pflegerin betreut eine Frau in einem Seniorenpflegeheim.

Manchmal kommt es plötzlich, manchmal schleichend: Menschen werden krankheits- oder altersbedingt pflegebedürftig und auf einmal müssen die Angehörigen ihr ganzes Leben umstellen. Medizinische Versorgung sicherstellen, Zeit für die Pflege finden, vielleicht sogar einen Platz in einem Pflegeheim suchen müssen – die ungewohnte Situation überfordert die Angehörigen nicht selten. Häufig ist die Bürokratie rund um die Pflegeversicherung die erste Herausforderung auf einem langen Weg.

Die erste Anlaufstation für Angehörige von Pflegebedürftigen in Berlin sollen die Pflegestationen sein. Ihre Aufgabe ist es, zu beraten und zu unterstützen. »Wir lassen niemanden allein«, sagt Dietmar Kruschel, Leiter des Pflegestützpunkts Mitte in der Reinickendorfer Straße, am Montag vor dem Gesundheitsausschuss des Abgeordnetenhauses. 39 000 Menschen hätten sich im vergangenen Jahr an die 36 Pflegestützpunkte in Berlin gewandt. Darunter seien nicht nur Angehörige von Pflegebedürftigen, sondern etwa auch alternde Alleinstehende, die Vorsorge treffen möchten.

Am häufigsten, so Kruschel, möchten sich die Ratsuchenden über die Organisation der Pflege im eigenen Haushalt informieren. Für viele ist der Weg zum Pflegegeld das schwierigste Unterfangen. »Die bürokratischen Anforderungen überfordern die Menschen«, sagt Kruschel. Die eng bedruckten Formulare schreckten manche von der Antragsstellung ab. »Wir führen dann durch den Dschungel.«

Nur eines mache man nicht, obwohl häufig danach gefragt werde: konkrete Pflegedienste weiterempfehlen. Dies würde dem Neutralitätsgebot der öffentlichen Einrichtungen widersprechen. »Solche Tipps sind auch wenig wert, weil sich bei einem Pflegedienst viel ändern kann, wenn es nur einen Personalwechsel an der Spitze gibt«, sagt Kuschel. Stattdessen verfolge man einen »ganzheitlichen Beratungsansatz«: »Wir beraten dazu, wie man eine gute Pflegeeinrichtung erkennen kann«, so Kuschel. Dafür biete man etwa Checklisten an, mit denen Verträge geprüft werden könnten.

Für Sinja Meyer-Rötz, seit dem 1. September die erste Pflegebeauftragte des Landes Berlin, sind die Pflegestützpunkte eine essenzielle Beratungsstruktur. Und doch stellt sie sich die Frage, warum sie von so vielen Menschen gebraucht werden. »Es ist der falsche Weg, dass die Pflegestützpunkte das komplexe Antragswesen ausgleichen müssen«, sagt sie. »Eigentlich müsste es darum gehen, die Antragsverfahren selbst in den Blick zu nehmen.« Denn wären die Formulare einfacher gehalten und etwa auch online stellbar, würde sich damit auch der Beratungsaufwand reduzieren.

Bisher sei die Tendenz aber eine andere, sagt Johanna Thalheim, Leiterin des Pflegestützpunkts an der Bundesallee in Charlottenburg: Seit der Reform der Pflegeversicherung seien die Verfahren noch komplizierter geworden. Damit strömten auch mehr Hilfesuchende zu den Stützpunkten. »Wir kriegen seit 2018 zwischen 30 und 35 Prozent mehr Anfragen«, sagt sie. Im gleichen Zeitraum sei das Beratungspersonal aber nur um 15 Prozent gestiegen. »Es müsste eine bessere Ausstattung geben«, sagt sie. »Nicht nur personell, sondern auch räumlich.« Denn am aktuellen Standort werde es langsam eng.

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