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Linke gibt sich im Wahlkampf dezidiert sozialpolitisches Programm
Mieten, Lebensmittelpreise, Energiekosten – mit diesen Wahlkampfschwerpunkten will die Linkspartei an die Alltagserfahrungen vieler Menschen anknüpfen
Es weht ein Hauch von Sherwood Forest im Berliner Karl-Liebknecht-Haus, wenn Die Linke über ihren Wahlkampf spricht. Von jenem dichten Wald in England aus soll der Rebell Robin Hood einst die Begüterten attackiert und um Hab und Gut erleichtert haben, um es den Bedürftigen zu geben. »Wir nehmen das Geld von den Reichen und verteilen es an die breite Bevölkerung«, sagte am Montag der Linke-Vorsitzende Jan van Aken. Die Wahl der Mittel fällt bei der Linkspartei allerdings etwas anders aus: Ihr Pfeil heißt Mietendeckel, ihr Schwert Vermögensteuer, und ihre Entscheidungsschlacht ist der Bundestagswahlkampf.
Noch knapp 80 Tage bleiben der Linken, um sich den Wiedereinzug in den Bundestag zu erkämpfen. In den Umfragen steht die Partei bei etwa vier Prozent, doch van Aken zeigt sich notorisch optimistisch: »Wir werden drei Direktmandate holen und fünf Prozent schaffen wir auch.«
Womit sie die Wähler überzeugen wollen, das stellten van Aken und die Ko-Vorsitzende Ines Schwerdtner am Montag vor. Am Wochenende hatte der Parteivorstand getagt und sich auf ein Wahlprogramm geeinigt; vorausgegangen waren Tausende Haustürgespräche, bei denen man, so Schwerdtner, »oft Verzweiflung gespürt« habe. Es wurden nicht 100 000 Gespräche, wie auf dem Parteitag im Oktober in Halle angekündigt, denn danach platzte die Ampel-Regierung, die Bundestagswahl wurde auf Februar vorgezogen und die Zeit ist knapp. Aber an immerhin 60 000 Türen klingelten Abgesandte der Linken. Es sei zu 7500 längeren Unterhaltungen gekommen, wie der »Spiegel« zu berichten wusste, und 2777 dieser Gespräche wurden ausgewertet.
Erfahren wollte Die Linke dabei, welche Probleme für die Menschen am dringendsten sind. Die Ergebnisse sind wenig überraschend und entsprechen im Großen und Ganzen den schon vor Wochen angedeuteten Stichworten Wohnen und Mieten, Inflation und Preise. Denn dass das Leben in den vergangenen Jahren drastisch teurer geworden ist, kann man überall lesen und hören – und bei jedem Einkauf selbst feststellen.
Interessant sind eher die Zuspitzungen im Wahlprogramm der Linken. Unabhängig davon, dass sich in dem Papier eine breite Themenpalette von Renten über Ostdeutschland bis zu Frieden und Außenpolitik findet, sollen die Stichworte Mieten und Preise – vor allem die für Lebensmittel – im Zentrum des Wahlkampfs stehen. Ergänzt um die Antwort auf die Frage, woher das Geld für die nötigen Maßnahmen kommen soll, die daran anknüpft, was Jan van Aken schon bei seiner Bewerbung um den Parteivorsitz sagte: »Ich finde, es sollte keine Milliardäre geben.« Zu erwarten ist also in der Zeit bis zur Bundestagswahl nicht – wie bei den Amtsvorgängern Janine Wissler und Martin Schirdewan – ein Trommelfeuer mit immer neuen sozialpolitischen Themen im Wochentakt, sondern ein Beharren auf wenigen einprägsamen und populären Forderungen.
Dazu gehört ein bundesweiter Mietendeckel, für den sich Die Linke einsetzen will. Als Vorstufe und Sofortmaßnahme sollen in Regionen, in denen der Wohnungsmarkt angespannt ist, Mieterhöhungen für sechs Jahre ausgeschlossen sein. Was auch beinhaltet, »Tricks der Vermieter« wie Staffel- und Indexmieten zu verbieten. Die Modernisierungsumlage soll abgeschafft werden; Sanierungen und der Einbau neuer Heizungen dürften kein Grund mehr sein, die Warmmiete zu erhöhen. Noch nie, sagte Ines Schwerdtner, seien die Mieten so stark gestiegen wie in der Zeit der Kanzlerschaft von Olaf Scholz.
Ähnliches gilt für die Preise für Lebensmittel, Strom und Heizung. Deshalb will Die Linke die Mehrwertsteuer für Grundnahrungsmittel, Hygieneartikel, Bus- und Bahntickets abschaffen, gleichzeitig Preiskontrollen und ein schärferes Kartellrecht einführen. Zudem sollen Energiepreise sozial gestaffelt werden, das heißt: preisgünstige Sockeltarife für den durchschnittlichen Verbrauch. Niemand mehr solle gezwungen sein, so das Wahlprogramm, »sich zwischen einer warmen Mahlzeit oder einer warmen Wohnung« zu entscheiden.
Finanziert werden soll das alles unter anderem mit einem zeitweiligen Energie-Soli für Reiche, der Wiedereinführung der Vermögensteuer und einer modifizierten Erbschafts- und Schenkungssteuer. Was zeigt: Schwerdtners Diktum »Wir sind die neue Steuersenkungspartei« gilt nicht für alle, sondern nur für die Bedürftigen. Diese Vorschläge der Linken sind eine Antwort auf das, was Schwerdtner einen Wirtschaftswahlkampf nennt, der zu erwarten sei. »Die Profiteure unserer ungerechten Wirtschaftsordnung wollen über alles reden, nur nicht darüber, dass sie das Problem sind«, heißt es im Wahlprogramm.
Mit diesem dezidiert sozialpolitischen Programm will Die Linke aus der Krise und dem Vier-Prozent-Umfragegetto und wieder in die Offensive kommen. Der Optimismus-Beauftragte van Aken registriert jedenfalls schon jetzt »eine ganz andere Medienaufmerksamkeit für Die Linke«, er erlebe das auch bei seinen Wahlkampfeinsätzen in Hamburg. Hinter der anstehenden Bundestagswahl lauere das Grauen, wenn sich diejenigen durchsetzten, die für soziale Kälte stehen. Die Linke hält mit ihrem Wahlprogramm etwas dagegen: »Ein Leben, in dem alle ein sicheres Einkommen haben, die Mieten bezahlbar sind und nicht jeder Supermarkteinkauf zum Schock an der Kasse führt, ist möglich.«
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