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IT-Technologien könnten aus Gaza-Krieg Präzedenzfall machen

Künstliche Intelligenz und Cloud-Dienste verändern das militärische Schlachtfeld radikal

Israelische Panzer feuern im nördlichen Gazastreifen. Nicht nur die Zielauswahl erfolgt mithilfe ziviler Software-Firmen.
Israelische Panzer feuern im nördlichen Gazastreifen. Nicht nur die Zielauswahl erfolgt mithilfe ziviler Software-Firmen.

Cloud-Dienste und Anwendungen Künstlicher Intelligenz (KI) haben die militärischen Fähigkeiten der israelischen Armee drastisch erweitert. Von Oktober 2023 bis März 2024 stieg die monatliche Nutzung von Anwendungen des US-Konzerns Microsoft beispielsweise um das 64-Fache, berichten das israelische »+972 Magazine« und der britische »Guardian« und berufen sich dabei auf geleakte Dokumente auf der Plattform »Drop Site News«, die darüber ebenfalls berichtet.

Dutzende hochrangige Armeeeinheiten, darunter Luftwaffe, Marine und Geheimdienste wie etwa die Elitetruppe »8200«, nutzen demnach neben Microsofts Azure-Plattform auch OpenAI’s GPT-4 Sprachmodell. OpenAI, der Entwickler von ChatGPT, hat seine Richtlinien dazu erst im Januar des vergangenen Jahres gelockert und erlaubt seitdem militärische Nutzungen seiner Technologien. Laut den Berichten hat das israelische Militär jedoch schon im August 2023 das damalige Sprachmodell von OpenAI beschafft.

Die Technologiedienstleistungen für Israels Militär waren bislang vor allem zu Cloud-Diensten bekannt, bereitgestellt unter anderem von Google und Amazon. Ein besonders wichtiger Partner ist offenbar Microsoft geworden: Zwischen Oktober 2023 und Juni 2024 investierte das israelische Verteidigungsministerium 10 Millionen Dollar direkt in die Entwicklungsunterstützung durch den US-Software-Giganten und kaufte 19 000 Stunden technische Beratung ein.

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Diese Zusammenarbeit geht laut »+972 Magazine« und »Guardian« weit über übliche Geschäftsbeziehungen hinaus. Microsoft-Mitarbeiter*innen arbeiteten derart eng mit Armeeeinheiten zusammen, dass ein Geheimdienstoffizier sie sogar als Teil der militärischen Einheit bezeichnete. Bei Entwicklungstreffen seien Microsoft-Expert*innen auf Armeebasen gekommen, um Überwachungssysteme zu konzipieren. Ein Microsoft-System namens »Rolling Stone« verwaltet zudem die Bewegungsdaten palästinensischer Bevölkerung.

Auch im Bereich der KI umfassen die Dienste laut den Medienberichten hochsensible strategische Bereiche: Die israelische Luftwaffe nutzt GPT-4 zur Unterstützung von Zieldatenbanken für Luftangriffe, Geheimdiensteinheiten analysieren damit riesige Datenmengen, andere Einheiten verbessern mit KI die Überwachung mithilfe von Bevölkerungsregistern. In den Berichten zitierte militärische Vertreter*innen betonen die Vorteile von KI-Technologien, die demnach eine bislang ungekannte Echtzeitanalyse und Informationsverarbeitung von Massendaten ermöglichen. Etwa ein Drittel der Dienste wurde für vom Internet abgeschottete Militärsysteme beschafft, was auf eine Nutzung für militärische Operationen hindeutet.

Weder Microsoft noch OpenAI kommentierten die Vorwürfe gegenüber den anfragenden Medien konkret. Mitarbeiter*innen von Cloud-Unternehmen äußerten indes wachsende Bedenken über die mögliche Unterstützung von Kriegshandlungen.

Die Berichte offenbaren eine beispiellose technologische Vernetzung zwischen eigentlich zivilen Technologieunternehmen und militärischen Strukturen in einem Kampfeinsatz. Wie in anderen Bereichen israelischer Militärtechnologie – etwa der Einsatz bewaffneter Drohnen und damit verbunden die Etablierung außergerichtlicher Hinrichtungen aus der Luft – könnte der Gaza-Krieg den Beginn einer neuen Ära der Kriegsführung markieren.

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