Ausländische Ärzte oft ausgebremst

Ohne Zuwanderung ist die medizinische Versorgung in Deutschland kaum haltbar

Die indische Pflegekraft Priyaraj Prabha legt eine Infusion. Sie kam über ein staatliches Anwerbeabkommen 2024 an das Universitätsklinikum des Saarlandes.
Die indische Pflegekraft Priyaraj Prabha legt eine Infusion. Sie kam über ein staatliches Anwerbeabkommen 2024 an das Universitätsklinikum des Saarlandes.

In populistischen Diskursen der vergangenen Monate wird die Rolle der Zuwanderung für Deutschland gern als Mutter aller Probleme verstanden. Bei einem genaueren Blick zeigt sich insgesamt eine Realität, in der ausländische Fachkräfte in vielen Bereichen bereits unverzichtbar sind. Ein Sektor, in dem der Anteil dieser Menschen deutlich dazu beiträgt, dass der Versorgungsalltag überhaupt läuft, sind die Krankenhäuser. Das haben diese Unternehmen durchaus verstanden, und so gab die Deutsche Krankenhausgesellschaft eine Studie zum Stand der Dinge in Auftrag. Zentrale Frage dabei war, welche Faktoren für die Beschäftigten entscheidend sind, um beruflich und privat dauerhaft in Deutschland Fuß zu fassen.

Die im Dezember abgeschlossene und jetzt veröffentlichte Studie stellt fest, dass fast jedes Krankenhaus in Deutschland (96 Prozent) aktuell oder in den vergangenen fünf Jahren Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte aus dem Ausland beschäftigt. Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass das in Zukunft nicht mehr nötig sein könnte. In 83 Prozent der Häuser wird erwartet, dass die Anzahl internationaler Mitarbeiter in den nächsten fünf Jahren teilweise deutlich steigen wird. Das könnte sich unter anderem daraus ergeben, dass aktuell 5000 ärztliche Vollzeitstellen nicht besetzt sind.

In Deutschland arbeiten insgesamt etwa 6000 syrische Ärztinnen und Ärzte. Sie sind die größte Gruppe unter den ausländischen Medizinern.

70 Prozent der Einrichtungen mit internationalen Beschäftigten in der Pflege haben auch internationale Auszubildende. Zudem immigriert der größere Teil dieser Fachkräfte bisher »eigens zum Zweck der Arbeit« nach Deutschland oder pendelt regelmäßig über die Grenze. Fast drei Viertel der Häuser setzten sowohl Pflegekräfte als auch Ärzte aus dem Ausland ein.

Die Studie hatte auch die Aufgabe, Erfahrungen der Kliniken bei der Integration der Fachkräfte zusammenzutragen. Als größte Herausforderungen zeichneten sich Fragen der sprachlichen und fachlichen Qualifikation ab. Diese ergeben sich zum Teil aus einem zeitlich langen Prozess von der Rekrutierung bis zum Tag der Arbeitsaufnahme, etwa wenn Sprachkurse in den Heimatstaaten besucht wurden, es aber bürokratische Hemmnisse bei der Einreise gab.

Auf jeden Fall ist der Aufwand der Krankenhäuser für Bewerbungs- und Auswahlprozesse hoch. Dabei ist das Instrumentarium, das sich in den Einrichtungen offenbar bewährt hat, umfangreich. Es reicht von Einarbeitungsprogrammen über eigene Sprachkurse bis hin zu Dienstwohnungen für die erste Zeit. Auch Unterstützung bei der Wohnungssuche und bei Behördengängen ist üblich. Mentoringprogramme, Patenschaften und Integrationsbeauftragte kommen dazu.

Laut den Krankenhäusern begann die internationale Rekrutierung in den Jahren 2011/2012 und war zunächst auf europäische Staaten wie Spanien und Rumänien ausgerichtet. Inzwischen sind auch viele außereuropäische Staaten dabei. Eine der befragten Kliniken gab an, dass sie Mitarbeitende aus 65 Nationen hat. Die regionalen Schwerpunkte für Anwerbungen ergeben sich eher zufällig, etwa aus konkreten Angeboten von Personaldienstleistern.

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Hinzu kommen Wirkungen von Fluchtbewegungen: So arbeiten in Deutschland insgesamt etwa 6000 syrische Ärztinnen und Ärzte, die größte Gruppe an ausländischen Medizinern, wobei sich die Zahl auf das gesamte Gesundheitswesen bezieht. Hinzu kommen noch einmal über 2100 syrische Fachkräfte in der Pflege, wie das Institut der Deutschen Wirtschaft im Dezember feststellte.

Eines der größten Probleme bei der Gewinnung ausländischer Mitarbeiter ist die nicht automatisch vorhandene Anerkennung der ausländischen Studiums- und Berufsabschlüsse. Die Bearbeitung der Unterlagen dauert sehr lange, offenbar weil die verantwortlichen Behörden der Bundesländer hier zu dünn besetzt sind.

Die Anerkennung von Abschlüssen ist in Deutschland denkbar schlecht organisiert. So warten Mediziner aus der Ukraine teils Jahre darauf, dass ihr Verfahren endlich abgeschlossen wird. Sie müssen sich solange mit Jobs über Wasser halten, für die sie eigentlich überqualifiziert sind. Zugleich kann es passieren, dass fehlende berufliche Praxis die bisherige Ausbildung entwertet und damit auch ganze Lebensabschnitte. Konkrete Zahlen zu den Approbationsanträgen speziell ukrainischer Ärzte erbrachte eine parlamentarische Anfrage der Grünen im hessischen Landtag.

Demnach haben seit 2022 in Hessen 24 Mediziner eine Berufserlaubnis als Arzt erhalten, mehr als 240 hatten aber einen entsprechenden Antrag gestellt. Das zuständige Gesundheitsministerium in Wiesbaden entschuldigt sich mit »einer komplexen Fallgestaltung«. Im Interesse des Patientenschutzes müsse die Prüfung der Anträge mit höchster Sorgfalt erfolgen. Die langen Verfahren kritisierte wiederum die Opposition in Hessen als »unprofessionell, zermürbend und desillusionierend«.

Bemerkt wurde Ähnliches auch in anderen Bundesländern. Ende des Jahres schlugen Bundeskanzleramt und Staatskanzleien der Länder vor, die Anerkennung von ausländischen Ärzten aus Nicht-EU-Staaten zu beschleunigen. Ein Vorschlag dazu soll aber erst zum September 2025 unter anderem vom Bundesgesundheitsministerium vorgelegt werden. Hierbei soll es aber nur um eine Festlegung zur Prüfung der fachärztlichen Qualifikation gehen.

Immerhin haben sich die Länder bei den Pflegeberufen – die landesrechtlich geregelt sind – auf nur jeweils eine zuständige Stelle geeinigt. Hier soll auch geprüft werden, ob eine schon vorhandene gemeinsame Gutachtenstelle in Zukunft nicht auch bundesweit gültige Entscheidungen treffen kann.

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