Großdemonstration gegen Berliner Kürzungspolitik

Die Haushaltskürzungen des Senats stehen weiter in der Kritik – ein breites Bündnis demonstriert

Die Haushaltskürzungen sollen zurückgenommen werden, fordert die Demonstration »Berlin ist unkürzbar«
Die Haushaltskürzungen sollen zurückgenommen werden, fordert die Demonstration »Berlin ist unkürzbar«

»Berlin, komm her«, ruft eine Rednerin auf der Auftaktkundgebung der Demonstration »Berlin ist unkürzbar«. Sie ruft es der Menge am Neptunbrunnen vor dem Roten Rathaus zu. Die von der Gewerkschaft Verdi angemeldete und von einem breiten Bündnis getragene Demonstration brachte am Samstag nach Polizeiangaben 5000 Menschen auf die Straße. Sie richtete sich gegen die massiven Sparmaßnahmen des Berliner Senats.

»Keine Facette des Berliner Lebens bleibt verschont«, sagt Verena Biehler vom Berufsverband für Soziale Arbeit in der ersten von vielen Reden, die im Laufe des Nachmittags gehalten werden. Die Haushaltskürzungen würden auf dem Rücken der Schwächsten vorgenommen, sagt Biehler. Sie fordert: »Die Haushaltskürzungen müssen rückgängig gemacht werden!«

So facettenreich und weitreichend wie die vom Senat zum Ende vergangenen Jahres vorgenommenen Kürzungen für den Haushalt 2025 sind, so vielfältig ist die Demonstration. Lautsprecherwagen versammeln hinter sich vier große Demonstrationsblöcke aus den Bereichen Soziales, Kultur, Bildung sowie Mobilität und Klima. Auch kleinere Blöcke gibt es, etwa einen propalästinensischen, der hinter einem Banner läuft, auf dem steht: »Antiracists against cuts« (Antirassisten gegen Kürzungen).

Noch auf der Auftaktkundgebung hält Schauspielerin Melika Foroutan, die seit 2025 eine »Tatort«-Kommissarin spielt, eine flammende Rede gegen die Kürzungen bei der Kultur. Nachdem dort für 2025 bereits 150 Millionen gestrichen wurden, sollen im Haushalt für 2026 noch einmal 15 Millionen weniger ausgegeben werden. Foroutan verweist auf die prekären Bedingungen, unter denen viele Künstler*innen arbeiten müssen. »Die Liebe zur Kunst lässt viele trotzdem weitermachen«, sagt die Schauspielerin.

Foroutan wendet sich gegen die Behauptung, Kultur sei ein »linksliberales Elitenprojekt«. »Auch die Kassiererin geht ins Museum«, sagt sie in Anspielung auf eine Aussage des Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner (CDU). Der hatte unterstellt, »die Verkäuferin im Supermarkt« gehe nicht in die Oper. »Wir lassen uns nicht gegeneinander ausspielen«, ruft sie ins Mikrofon und schließt ihre Rede mit: »Die Kultur ist Berlin und Berlin ist Kultur.«

Während sich die Demonstration langsam in Richtung Brandenburger Tor bewegt, spricht Geraldine Rauch, Präsidentin der Technischen Universität Berlin. Denn auch an Bildung und Wissenschaft soll gespart werden. Für 2025 sind 350 Millionen Euro gestrichen worden, für 2026 sollen es noch mal 139 Millionen sein. Von den Kürzungen sind nicht nur zahlreiche Bildungsprojekte betroffen, sondern auch die Hochschulen. Noch im November 2024 habe Kai Wegner versprochen, dass bei der Wissenschaft nicht gespart werde, erinnert Rauch. Aber jetzt sei aus der Hochschulbau-Offensive eine Hochschulbau-Blockade geworden. Bereits geschlossene Hochschulverträge sollen neu verhandelt werden. »Man will den Hochschulen so viel wegnehmen, dass ihre Existenz bedroht ist«, sagt die Professorin.

Besonders empört zeigt sich Rauch darüber, dass die Bildungssenatorin vorschlug, dass die Technische Universität ihre Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften abschaffen solle. »Politik, die bestimmt, welche Fachgebiete erhalten bleiben und welche weggecancelt werden, das sehen wir aktuell in den USA«, beklagt Rauch. Die Universitätspräsidentin kritisiert, dass die erst 2024 abgeschlossenen Hochschulverträge jetzt neu verhandelt werden sollen. Sie kündigt an, dass man für die Einhaltung der Verträge klagen werde. »Die Hochschulen kämpfen und stehen hier nicht allein«, sagt sie und solidarisiert sich sodann mit den anderen Demonstrationsteilnehmer*innen. »Wir zeigen dieser Landesregierung jetzt, dass wir nicht alles mit uns machen lassen.«

Bei aller Einigkeit und Solidarität gibt es auch Konflikt. Unter den Linden, kurz hinter der Humboldt-Universität, hält die Polizei den palästinasolidarischen Block für rund eine halbe Stunde auf. Kurz vorher hatten Ordner*innen der Demonstration versucht, den Block anzuhalten, damit er sich weiter hinten in der Demonstration einreiht. Dies nicht wegen Parolen wie »Bildung statt Bomben« oder »Sozial statt brutal«, sondern, wie eine Sprecherin des Demobündnisses »nd« sagte, weil sich der Block nicht an den Demokonsens gehalten und Parolen gerufen habe wie »Yallah, Yallah Intifada«. Die Sprecherin betonte, dass man die Polizei nicht zum Einschreiten aufgefordert habe.

Das Vorgehen der Demoleitung stieß teils auf Kritik. »Niemand sollte von der Demonstrationsleitung gezwungen werden, irgendwo hinzulaufen«, sagte eine Rednerin auf dem Lautsprecherwagen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Der Block hatte gerufen: »Hoch mit der Bildung, runter mit der Rüstung.«

Nicht nur von der Bundesregierung erhöhte Rüstungsausgaben werden auf der Demonstration kritisiert, auch die Ausgaben des Senats insbesondere im Verkehrsbereich. Immer wieder wird der Bau der A100 erwähnt. Auch die Bürgerinitiative (BI) Wuhlheide ist mit einem Transparent auf der Demonstration dabei. Die BI will, dass die Tangentiale Verbindung Ost (TVO) nicht gebaut wird. Es ist eine Schnellstraße, die Köpenick mit Hellersdorf verbinden soll. Rund 325 Millionen Euro müsste das Land Berlin für dieses Projekt in den kommenden Jahren voraussichtlich aufbringen. »Die dafür geplanten Gelder könnten besser verwendent werden«, sagt Maik Matthus von der BI. Anstatt neue Straßen für Autos zu bauen, brauche es eine Verkehrswende.

»Keine Facette des Berliner Lebens bleibt verschont.«

Verena Biehler
Berufsverband für Soziale Arbeit

Bevor die Abschlusskundgebung vor dem Brandenburger Tor beginnt, gibt es noch ein kurzes Konzert. Aber nicht alle können der Liedermacherin Dota Kehr lauschen. Eine der Demonstrationsauflagen ist, dass nur 1500 Personen auf den Pariser Platz dürfen. Der Rest wird von der Polizei an der Absperrung abgewiesen.

Die letzten Redebeiträge kommen nicht ohne die obligatorische Aufforderung zu wählen aus. Wie eine Rednerin sagt, habe sich Kai Wegner die Schuldenbremse nicht ausgedacht, die mit ursächlich für die Kürzungen ist. »Um die Schuldenbremse aus dem Weg zu räumen, brauchen wir die Bundespolitik«, sagt sie. Zukünftige Generationen bräuchten Investitionen statt Kürzungen. Dafür brauche es eine gerechte Steuerpolitik, die die Reichen mehr in die Verantwortung nimmt. »Reich wird man nur noch über reiche Eltern und nicht durch Arbeit«, sagt sie. Berlin müsse jetzt in Klimagerechtigkeit investieren, fordert der Bund für Umwelt und Naturschutz.

Das letzte Wort am Samstag hat Verena Biehler vom Berufsverband für Soziale Arbeit. »Wir sind den Kürzungen nicht ausgeliefert«, sagt sie. Aber man brauche einen langen Atem. »Wir werden wiederkommen, bis die Kürzungen zurückgenommen werden«, kündigt Biehler an.

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