Chirurgie: Kein Weiter ohne Bildung

Eine sichere chirurgische Versorgung braucht auch eine gute Krankenhausreform

Bei einer roboterassistierten Prostata-Operation im Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
Bei einer roboterassistierten Prostata-Operation im Universitätsklinikum Schleswig-Holstein

Sicherheit in der Chirurgie hat nicht nur etwas mit vermeidbaren Fehlern zu tun wie das klassische Beispiel mit dem vergessenen Instrument in einer verschlossenen Wunde. Sehr viel weiter fasst das Thema der Deutsche Chirurgie-Kongress, dessen Präsenzteil Ende des Monats die operierende Zunft für drei Tage in München zusammenbringt. Unter anderem wird es um sichere Versorgung gehen, wie bei einer Vorab-Pressekonferenz am Dienstag in Berlin deutlich wurde.

Die Voraussetzungen für ein qualitativ gutes Angebot werden mit der aktuellen Krankenhausreform neu gefasst. Da dann Leistungen an den am besten geeigneten Kliniken konzentriert werden, verändert sich auch die Weiterbildung. Diese dauert für künftige Chirurgen sechs Jahre, in denen sie verschiedenste Eingriffe in einer bestimmten Mindestzahl absolvieren müssen, wohlgemerkt nach erfolgreichem Medizinstudium. Mit der Reform wird es weniger Krankenhäuser geben, die alle Eingriffe machen können, wie Hans-Joachim Meyer vom Berufsverband der Deutschen Chirurgie erklärt: »Durch die Zuweisung von Leistungsgruppen ist das nicht mehr möglich.«

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Bestimmte komplizierte Eingriffe werden dann nur noch an wenigen Kliniken in Deutschland finanziert. Dann müssten die Operateure in spe im Zuge der Ausbildung rotieren. »Das heißt aber nicht, dass diese Ärzte sofort an komplexe Eingriffe herangelassen werden«, nennt Meyer eines der praktischen Probleme. Die Organisation der Weiterbildung wird komplizierter, es gebe noch viele offene organisatorische Fragen, etwa zur Berufshaftpflicht. In der Folge wird die Entscheidung für das Fach Chirurgie unattraktiver, befürchtet die Zunft. Meyers Verband startete deshalb eine Kampagne samt Online-Petition, in der eine zuverlässige Finanzierung der ärztlichen Weiterbildung gefordert wird. Zudem wird auch der nächste Ärztetag im Mai in Leipzig beraten, wo die Krankenhausreform in Sachen Weiterbildung nachjustiert werden müsste.

Wer jetzt auf die Idee kommt, mit moderner Technologie könnte vielleicht auch die Chirurgie mit weniger Fachkräften auskommen, befindet sich erst mal auf dem Holzweg. Für die Viszeralchirurgie (die Eingriffe im Bauchraum umfasst) erläutert Ludger Staib vom Klinikum Esslingen die Anwendung von minimalinvasiver und robotischer Technik. Minimalinvasives Vorgehen, bei dem über kleine Schnitte in dünnen Röhrchen die nötigen Instrumente eingeführt werden, sind in der Bauchchirurgie bereits Standard. Aber es gibt auch Konstellationen, in denen ein großer Eingriff, also über eine größere Körperöffnung, unvermeidbar ist, so Staib. Auch das müssen Chirurgen beherrschen, also erst einmal lernen.

Die robotische Chirurgie scheint noch auf einem Lernpfad: »Es gibt bereits einige Erfahrung damit, aber noch nicht genügend Daten«, erklärt Staib. Für Chirurgen, die hier eine zusätzliche Ausbildung benötigen, die von Herstellern und Kliniken zusammen organisiert wird, bieten sich Vorteile: »Der Roboter arbeitet völlig zitterfrei, die Operateure können sitzen und die Visualisierung (per Kamera auf einen Bildschirm) ist sehr gut.« Patienten erholen sich nach so unterstützten Operationen schneller als nach konventionellen Eingriffen. Zu Beginn dauern laut Staib robotische Operationen noch länger, das ändert sich nach einigen Dutzend ähnlichen Eingriffen. Qualifizierung, auch für die nötigen Assistenzkräfte, ist aber auch hier das A und O.

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