- Politik
- US-Handelsstreit
Zollst Du mir, zoll ich Dir
Im Streit um unfaire Handelspraktiken setzen die großen Wirtschaftsmächte auf Eskalation
Planen Sie, sich demnächst eine Harley Davidson zu kaufen? Dann sollten Sie schnell zugreifen, denn bisher werden alle in Deutschland verkauften Modelle in Fabriken in den US-Bundesstaaten Pennsylvania und Missouri gefertigt. Und spätestens ab 1. Juli greifen in der EU Strafzölle auf diese US-Importe von 25 Prozent, wie die Mitgliedstaaten am Donnerstagabend einstimmig beschlossen. Neben Motorrädern werden auch Whiskey, Erdnussbutter und Jeans aus den USA verteuert - summa summarum trifft es Waren im Wert von 2,8 Milliarden Euro. Nun muss nur noch die EU-Kommission die entsprechende Durchführungsverordnung erlassen, was in den nächsten Tagen geschehen soll. Dann treten die neuen Zölle in Kraft, die auch schon bei der Welthandelsorganisation angemeldet wurden.
Auslöser sind bekanntlich die US-Zölle auf Stahlprodukte von zehn Prozent und auf Aluminium von 25 Prozent, die seit 1. Juni auch Unternehmen aus der EU, Kanada und Mexiko treffen.Die EU dreht die Eskalationsspirale nunmehr ein bisschen weiter. Und auch der Ton wird zunehmend rauer: Der Vorsitzende der SPD-Gruppe im Europaparlament, Jens Geier, griff sogar zum beliebtesten Medium Donald Trumps, um gegen diesen zu sticheln: Die Gegenzölle träfen »US-Bundesstaaten, deren Senatoren Hardcore-Trump-Unterstützer sind!«, schrieb Geier im Mitteilungsdienst Twitter.
Auch sonst stehen die Zeichen auf Eskalation: Kanada hatte bereits Gegenzölle im Umfang von umgerechnet 10,6 Milliarden Euro beschlossen, was Trump so verärgerte, dass er vergangene Woche die G7-Gipfel-Abschlusserklärung nicht unterzeichnete, obwohl sich seine Positionen darin wiederfanden. Trump-Berater Peter Navarro will für Kanadas Premier Justin Trudeau einen »besonderen Platz in der Hölle« reservieren. Auch wenn sich Navarro mittlerweile entschuldigte, zeigt der Vorfall, dass die Beziehungen der beiden Nachbarn auf einem Tiefpunkt sind.
Wie es zwischen EU und USA weitergeht, bleibt abzuwarten. Nicht gerade zur Entschärfung dürfte beitragen, dass das Statistikamt Eurostat gerade bei der Vorstellung der Handelsdaten für den Zeitraum Januar bis April einen deutlichen Anstieg des EU-Exportüberschusses gegenüber den USA um 17 Prozent auf 45,4 Milliarden Euro vermeldete. Die Einfuhren von US-Produkten gingen sogar um 3,1 Prozent zurück.
Auch plant die EU-Kommission, in einem zweiten Schritt US-Importe im Wert von weiteren 3,6 Milliarden Euro mit neuen Zöllen zu belegen. Vermutlich will man erst die Reaktion Washingtons auf den jetzigen Beschluss abwarten wollen. Trump hatte ja angekündigt, im Falle von Gegenzöllen importierte Autos aus der EU mit Zöllen zu belegen, die etwa für die deutsche Industrie eine weit höhere Bedeutung haben als Stahlprodukte.
Zwischen Washington und Peking geht es bereits ans Eingemachte. Wie erwartet verkündete US-Präsident Trump am Freitag weitere Strafzölle gegen chinesische Importe. Waren im Wert von 50 Milliarden Dollar werden mit 25 Prozent verteuert, wie er mitteilte. Es gehe um chinesische Produkte, die »industriell signifikante Technologien beinhalten«.
Begründet wird das mit dem riesigen Handelsdefizit der USA gegenüber der Volksrepublik, das sich im vergangenen Jahr auf 375 Milliarden Dollar summierte (gegenüber der EU war es nicht mal halb so groß), und mit Verstößen gegen intellektuelle Eigentumsrechte. Bei bilateralen Verhandlungen signalisierte Peking zwar Entgegenkommen, doch die Trump-Riege wollte sich damit nicht zufriedengeben. China erklärte jetzt, das bisher Erreichte sei mit den neuen Zöllen hinfällig. Außerdem werde man »umgehend reagieren und die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um unsere legitimen Rechte und Interessen entschlossen zu schützen«, so der Sprecher des Pekinger Außenministeriums, Geng Shuang, ein. Daraufhin drohte Trump Zölle auf weitere chinesische Importe im Umfang 100 Milliarden Dollar an.
Die protektionistische Politik des Präsidenten sorgt indes nicht mal in der US-Industrie für Optimismus. Aus-gerechnet Harley Davidson, das Symbol für »made in den USA«, kündigte kürzlich die Schließung seines Werks in Kansas City (Missouri) und die Streichung von 260 Jobs an. Gleichzeitig baut der Motorradhersteller ein Fertigungswerk in Thailand.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.