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Was die Demokratische Partei vorhat
Nach den US-Wahlen kann Trump nicht mehr durchregieren
Noch in der Wahlnacht war Nancy Pelosi jubelnd vor ihre Anhänger getreten. »Die Politik der kommenden Jahre wird von Transparenz und Offenheit bestimmt werden«, betonte die Favoritin für den mächtigen Posten der Parlamentssprecherin. Auch wenn die 78-jährige Demokratin kurze Zeit später angeblich sehr zivilisiert mit US-Präsident Donald Trump telefoniert haben soll, durfte das durchaus als Drohung verstanden werden. Denn die Demokraten »wollen widerspenstig sein, wo es nötig ist«, fügte Pelosi hinzu.
Die Demokraten werden ab Januar das US-Repräsentantenhaus kontrollieren. Damit dürfte Trump viel unangenehme Aufmerksamkeit zuteil werden. Seine Gegner wollen das tun, was die Republikaner bisher verweigert haben: Fehlverhalten in der Regierung sowie fragwürdige Machenschaften des Präsidenten untersuchen. Ausschüsse des Repräsentantenhauses können dazu Zeugen vorladen und Beweismaterial anfordern. So lange das Parlament unter republikanischer Kontrolle stand, passierte so gut wie nichts. Jetzt wollen die Demokraten alles auf den Tisch bringen - bis hin zu bislang geheimen Steuererklärungen von Donald Trump.
Ob das jedoch die beste Strategie ist, um in zwei Jahren auch das Weiße Haus zurückzuerobern, ist fraglich. Schließlich versucht Trump seit zwei Jahren, alle Untersuchungen gegen ihn als politisches Theater und völlig grundlos zu diskreditieren. Und seine Anhänger glauben ihm. Diese davon zu überzeugen, im Jahr 2020 einen Demokraten oder eine Demokratin zu wählen, dürfte nur gelingen, wenn man Beweise für kriminelles Verhalten findet, oder wenn Trump gezwungen wird, unpopuläre Entscheidungen zu treffen.
»Ich werde sie jetzt für alles verantwortlich machen«, sagte Trump nach der Wahl. Soll heißen: Wenn es mit dem derzeit wirtschaftlich noch gut laufenden Land bergab geht, wird den Demokraten dafür die Schuld zugeschrieben, die ihn blockieren wollen.
Nicht wenige Linke meinen daher, die beste Waffe gegen Trump sei kein Untersuchungsausschuss, sondern Politik zum Wohl der Bürger: Steuersenkungen für Geringverdienende statt für Superreiche. Ein Verbot für Krankenversicherer, Bewerber wegen Vorerkrankungen abzulehnen. Schärfere Waffengesetze oder eine Einwanderungsreform, die vor Jahrzehnten Eingewanderten endlich die Staatsbürgerschaft gewährt. All diese Themen haben Rückhalt in der Bevölkerung, werden von den Konservativen aber verteufelt. Diese nun aktiv dagegen stimmen zu lassen, könnte die Menschen beim nächsten Urnengang zu den Demokraten treiben.
Der Anti-Trump-Effekt allein scheint dafür nur bis zu einem gewissen Grad zu reichen. Oder genauer bis in Amerikas Vororte, wo die Republikaner am Dienstag massenhaft Mehrheiten verloren. Es war eine Wahl, bei der die Demokraten das bekamen, was sie brauchten, aber nicht das, was sie wollten - die blaue (also demokratische) Welle fiel eher klein aus. Nach derzeitigem Auszählungsstand gewannen die Demokraten im Repräsentantenhaus 32 Sitze hinzu und verfügen nun über eine Mehrheit von mindestens 225 zu 200 Sitzen. Der Zugewinn könnte noch auf bis zu 40 Sitze steigen.
Landesweit stieg die Wahlbeteiligung von jungen Wählern, Schwarzen und Latinos deutlich an. Sie sorgten dafür, dass der Graswurzelpolitiker Beto O’Rourke in Texas beinahe die Sensation schaffte und mit nur 2,7 Prozent gegen den »harten Hund« und republikanischen Senator Ted Cruz verlor. In den vergangenen 20 Jahren lagen die Republikaner in der Heimat der Bush-Familie immer mit 15 bis über 20 Punkten vorn.
Bei etwa 49 Prozent lag die Beteiligung an diesen Zwischenwahlen landesweit, so hoch wie seit 1966 nicht mehr. Donald Trump hatte mit Dutzenden Last-Minute-Auftritten seine Basis mobilisiert. Doch die Wut über ihn trieb noch mehr seiner Gegner an die Wahllokale. In einer Befragung von CNN gaben 39 Prozent der Wähler an, vor allem gegen Donald Trump gestimmt zu haben, auch wenn der nicht auf dem Wahlzettel stand.
Mehr als 100 demokratische Frauen wurden in den Kongress gewählt. Sie lösen damit weiße Männer als größte Gruppe in der Partei ab. Im Repräsentantenhaus sitzen nun Sharice Davids aus Kansas, die ein lokaler Republikaner als »radikalsozialistische kickboxende Lesben-Indianerin« bezeichnet hatte. Und ebenso werden hier in Zukunft die indigene Deb Haaland aus New Mexiko, die US-Palästinenserin Rashida Tlaib aus Detroit oder die Somali-Amerikanerin Ilhan Omar aus Minnesota Politik machen.
Die Republikaner setzen dagegen immer mehr auf die Stimmen weißer älterer Männer. »Minderheiten-Herrschaft« nennen Kritiker diese Taktik. Trumps Anhänger eskalierten sie in den letzten Tagen vor der Abstimmung noch mit einem rassistischen Wahlkampf zur »Karawane« von Migranten aus Mittelamerika. Bei der Gouverneurswahl in Florida kam die Partei mit dieser Taktik der Mobilisierung »weißer Angst« knapp durch.
In Georgia musste Trumps Gefolgsmann Brian Kemp für seinen voraussichtlich knappen Sieg mit rund 60 000 Stimmen Vorsprung schon zu offener Wählerunterdrückung greifen. Kemp hatte Hunderttausende inaktive Bürger aus den Wählerlisten streichen lassen. Seine schwarze Gegenkandidaten Stacey Abrams weigert sich daher bislang, eine Niederlage einzugestehen. Noch werden auch hier Briefwahlstimmen gezählt.
Im Senat waren die Demokraten in der Defensive. Sie hatten viel mehr Sitze zu verteidigen und kaum Chancen, im Süden mit ländlicherer und konservativerer Wählerschaft selbst welche dazuzugewinnen. So dürften sie aller Voraussicht nach netto ein bis drei Sitze verlieren. In Arizona und Florida wird noch mal nachgezählt, das der Ausgang des Urnengangs hier besonders knapp war.
In sieben Staaten gewannen die Demokraten die Gouverneurswahlen: in Connecticut, Illinois, Maine, Michigan, Nevada, New Mexico, Wisconsin und Kansas. In Florida, Iowa und Michigan hatten sie gute Chancen, verpassten aber den Sieg. Immerhin haben die Demokraten aufgeholt, stellen nun 23 Staatschefs, während die Republikaner noch 27 Gouverneursposten kontrollieren.
Tony Evers hatte Bildung zum zentralen Thema seines Wahlkampfes gemacht und schlug damit in Wisconsin den Erzkonservativen Scott Walker, der bei Linken für seine Anti-Gewerkschaftsgesetze verhasst war. Es könnte ein Fingerzeig für 2020 sein, mit welchen Themen die Demokraten künftig punkten können: Bessere Bezahlung von Lehrern, bessere Ausstattung von Schulen, aber auch ein kostenfreies Studium an staatlichen Universitäten. Das zieht vor allem bei jungen Wählern und deren Eltern, sowie all jenen Millionen Amerikanern, die teilweise noch jahrzehntelang mit ihren Studienschulden zu kämpfen haben.
In Kansas hatte Gouverneur Sam Brownback die »Anti-Big-Government«-Politik der Republikaner radikal umgesetzt und die Staatsfinanzen so lange ausgetrocknet, bis er der unbeliebteste Gouverneur des Landes war. Neuer Gouverneur sollte Chris Kobach werden. Der hatte in den vergangenen Monaten als Beauftragter von Trump erfolglos nach vermeintlichem Wählerbetrug durch Demokraten gesucht. Die sonst sehr konservativen Bürger in Kansas wählten nun lieber die Demokratin Laura Kelly.
In den USA sagt man: Am Tag nach der Wahl beginnt der Wahlkampf. Die Demokraten müssen daher bald entscheiden, wen sie in zwei Jahren gegen Trump ins Rennen ums Weiße Haus schicken wollen. Eine progressive Linke, um die Basis zu mobilisieren? Oder doch einen Kandidat der Mitte, um von Trump vergraulte Republikaner abzuwerben? Die Partei hatte auf ein klares Zeichen von der Basis bei den Zwischenwahlen gehofft. Es blieb aus. Gefeierte Jungstars wie Abrams und O’Rourke konnten keine Sensationssiege einfahren. Moderate Kräfte gewannen zwar im Norden Sitze zurück, wo Trump 2016 noch triumphiert hatte. Dafür verloren Kandidaten der Mitte in Indiana, Missouri und North Dakota.
Nur eins wurde deutlich. Die Zeichen stehen auf Weiblichkeit. 70 Prozent sagten, ihnen sei es wichtig gewesen, eine Frau zu wählen. Da hat die Partei mit Elizabeth Warren aus Massachusetts, Kirsten Gillibrand aus New York und Kamala Harris aus Kalifornien schon drei formidable Aushängeschilder. Die Namen sollte man sich schon mal merken.
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