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Nächstes Jahr werde ich …
Zu Silvester werden wieder Vorsätze gefasst. Ob man sie einhält, ist nicht nur eine Frage des Willens
Mehr Sport treiben, gesünder essen und sich weniger stressen - der Jahreswechsel ist die Zeit der guten Vorsätze. Ob sie umgesetzt werden, hängt nicht nur von der Willensstärke der Menschen ab, sondern auch von den Umständen, in denen sie leben und die veränderbar sind, beispielsweise durch die Politik. Deshalb haben wir ein paar Tipps für die neue Regierungskoalition zusammengestellt, wie sie dazu beitragen kann, dass die Vorsätze Wirklichkeit werden.
Sparsamer leben
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Zu den klassischen Neujahrsvorsätzen gehört, besser mit dem verfügbaren Geld zu haushalten. Weniger ausgeben, mehr sparen - das gefällt vor allem jener Branche, die an den Spargeldern verdient und die unter der Bezeichnung »Finanzmärkte« bekannt ist. Zu dieser Abteilung gehört auch die US-Investmentbank J. P. Morgan, deren hiesige Tochter die Deutschen nach ihren finanziellen Prioritäten für 2022 befragt und herausgefunden hat: »36 Prozent wollen im neuen Jahr sparsamer leben. Dafür würden sie beispielsweise ihren Konsum einschränken oder nach günstigeren Vergleichsangeboten Ausschau halten. Diese Priorität hat im Vergleich zum Vorjahr um 5 Prozentpunkte zugelegt und liegt aktuell mit Abstand vorn.«
Treibende Kraft dieser Vorsätze dürfte in den meisten Fällen schlichter Geldmangel sein, und je ausgeprägter dieser Mangel vorliegt, umso dringender wird der Vorsatz und gleichzeitig umso schwieriger umzusetzen.
Wie könnte die Politik hier behilflich sein? Zum einen bei den Ausgaben, zum Beispiel für das Wohnen - schließlich frisst die Miete etwa ein Fünftel eines durchschnittlichen Haushaltsbudgets und der ganze Bereich Wohnen fast ein Drittel. Mietendeckel oder auch die eine oder andere Enteignung von Immobilienkonzernen könnten hier hilfreich sein, diesen Ausgabenposten zu beschränken.
Der andere Ansatzpunkt wären die Einkommen der Haushalte - zum Beispiel sinkende Steuern für jene, die schlecht am Konsum sparen können, weil ihr Budget ohnehin knapp ist. Gegenfinanzieren könnte man dies durch höhere Steuern für die Vermögenden, also für jene, die ihre Einkommen nur zu einem geringen Teil für den Konsum brauchen, was man an ihren großen Ersparnissen erkennt - eben an ihren Vermögen. Das wäre doch mal ein Vorsatz.
Mehr Entspannung
Einer der großen schmerzhaften Widersprüche im liberalisierten Kapitalismus seit Gerhard Schröder ist der zwischen der Anrufung einer sogenannten Achtsamkeit in Ernährung, Körpergefühl, Kommunikation und der zunehmenden Verdichtung von Arbeitszeit. Letzteres hat mitnichten zu einer Verkürzung, sondern zu einer Ausweitung des Arbeitspensums geführt - bei den Menschen, die sich selbst als Unternehmer definieren sollen. Sie werden nur bezahlt, wenn sie arbeiten. Werden sie krank oder möchten sie Urlaub, ist das ihr privates Problem in der Privatwirtschaft. Sie gelten als Subunternehmer oder arbeiten für Subunternehmen, die Tarif- und Mindestlöhne permanent unterlaufen. In der Transportwirtschaft, in der Bauwirtschaft, aber auch im IT-Sektor. Denn es soll sich ja rechnen, bloß nicht für die, die das Gefühl bekommen, ihre Arbeitskraft zu verramschen.
Die Wettbewerbsideologie muss problematisiert und geschwächt werden. Besonders da, wo es alle merken: Bei den explodierenden Miet- und Grundstückspreisen und beim Ausverkauf der Daseinsfürsorge an private Dienstleister. Nicht nur im Gesundheitssektor, der durch die Pandemie mehr Aufmerksamkeit bekommt. Depressionen und Burn-outs werden normaler. Wie soll man da entspannen? Das geht nur mit weniger Arbeit. Für die 35-Stunden-Woche streikte die IG Metall schon 1979 - bis heute gibt es sie in vielen Betrieben nicht. Eine noch bessere Forderung ist die Einführung der Vier-Tage-Woche. Damit man überlegen kann, was man eigentlich will. Auch für Politiker. Wozu haben die eigentlich so viele Termine?
Gesünder essen
Wenn der Verbraucherzentrale Bundesverband aktuell Steuersenkungen für Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte fordert, dann hat das mehr mit Inflation und Armut zu tun als mit gesundem Essen. Dabei sind Steuern ein politisches Mittel, um gesunde Lebensmittel für alle erschwinglicher zu machen. Die Fleischsteuer etwa wird immer wieder diskutiert - weniger Fleisch ist nicht nur gut für die Gesundheit, sondern auch fürs Klima. Und warum auf Hafer- und Sojamilch 19 Prozent Mehrwertsteuer anfallen, auf Kuhmilch aber nur 7 Prozent, versteht auch kein Mensch. Dabei könnten geänderte Steuersätze nicht nur - wie beim Fleisch - höhere Preise bedeuten, sondern auch Preissenkungen für gesunde Lebensmittel.
Richtig ungesund wird es beim Thema Zucker, hier aber scheuen sich Politiker*innen vor strengen Vorgaben für die Lebensmittelindustrie. Studien der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zeigen, dass die Zuckerzufuhr in Deutschland insbesondere bei Kindern und Jugendlichen deutlich über der Empfehlung liegt - meistens ist Zucker in Süßwaren und Getränken wie Fruchtsäften und Limonaden zu finden.
Überhaupt ist der Anteil an Zucker und Fetten in Fertiggerichten besonders hoch. All das gibt es in Supermärkten und Discountern - gekauft wird, was angeboten wird. Günstige Grundnahrungsmittel wie Hülsenfrüchte sind hingegen immer weniger in den Regalen zu finden. Wochenmärkte wiederum gehören nicht zum Standard in Kommunen, ebenso wenig wie Projekte der Solidarischen Landwirtschaft. Auch ein Feld, in dem Politik aktiv werden kann.
Bei gesünderem Essen geht es nicht wie bei anderen Silvestervorsätzen um ein bisschen weniger Hüftgold, sondern um ernsthafte Folgekrankheiten. Erstere kann mensch sich getrost sparen, Abnehmen wegen der Hose, die - zu klein geworden - im Schrank vor sich hin gammelt, ist vergeudete Lebenszeit. Mal wieder ein Kochbuch lesen ist der gesündere Vorsatz.
Mehr Sport treiben
Bei diesem Vorsatz ist eine wichtige Frage, ob sich die Menschen mehr bewegen wollen oder ob sie denken, sie sollten es tun. Denn Sport tut insbesondere dann gut, wenn man aus Freude an der Bewegung joggt oder Badminton spielt. »Solche intrinsischen Motive haben einen starken Effekt auf das Wohlbefinden«, sagt Michael Mutz, Professor für Sozialwissenschaften des Sports an der Universität Gießen. Extrinsische Motive wie Abnehmen hätten dagegen fast keine positive Wirkung auf das Wohlergehen.
Die Pandemie hat Sportvereine mehrfach weitgehend lahmgelegt, inzwischen kann man wieder unter diversen G-Regeln zusammen spielen. Doch weiterhin gibt es Arbeits- und Lebensbedingungen, die Menschen davon abhalten, aus Spaß an der Freude Sport zu treiben. Dazu gehören laut Mutz Schicht- und Nachtarbeit sowie körperlich harte Arbeit. Jobunsicherheit führt demnach ebenfalls dazu, dass Beschäftigte weniger Sport treiben. Dies gilt für Menschen mit befristeten Verträgen und Erwerbstätige, die Angst vor Entlassung haben.
Auch Arbeitslose und Arme machen weniger Sport. Arme Menschen müssen abwägen, wofür sie das knappe Geld ausgeben. »Zugespitzt formuliert: Ist ihnen Sport wichtiger oder frisches Gemüse?«, sagt Mutz.
Angesichts der ständigen Appelle, die Menschen sollten sich um ihr Fitsein kümmern, liegt es nahe, dass Politik und Unternehmen ihnen das ermöglichen: etwa durch mehr Jobsicherheit und höhere Hartz-IV-Sätze. Weg mit den sportlichen Hemmnissen, freie Fahrt für Skateboarder!
Klimafreundlicher leben
Was können wir tun, um das Klima zu retten? Allein wenig, klar. Das ist einerseits entmutigend. Andererseits kann diese Tatsache leicht als Ausrede dafür dienen, gar nichts zu unternehmen. Also weiter, sofern man es sich leisten kann, jedes Jahr in einen Urlaubsflieger steigen, um mehr oder weniger entfernte Ziele anzusteuern, weiter das Fahren im eigenen Auto statt im überfüllten Regio- oder Fernzug samt zu schleppendem Gepäck genießen, beim Einkaufen nicht auf wenig Verpackungsmaterial achten, den Müll nicht trennen, denn es werden ja eh nur 20 Prozent recycelt und so weiter?
Nichts spricht dagegen, wenn Menschen, die es können, sich umweltbewusst verhalten. Aber die Klimakatastrophe lässt sich so nicht abwenden. Dem jüngsten Bericht des Europäischen Gewerkschaftsinstituts (Etui) zufolge verursachen die reichsten zehn Prozent der EU-Bevölkerung die gleiche Menge an Treibhausgasemissionen wie die »untere Hälfte«. Arme Menschen sind zugleich am härtesten von Naturkatastrophen im Zusammenhang mit dem Klimawandel betroffen, weil sie keine Ressourcen haben, die Beseitigung von Schäden zu finanzieren. Dazu kommt, dass der zuletzt 2017 aktualisierten Langzeiterhebung »Carbon Majors Report« zufolge seit 1988 rund 100 Gas-, Öl- und Kohle- sowie einige Bergbaukonzerne allein mehr als 70 Prozent des globalen CO2-Ausstoßes verursacht haben.
Es wäre dringendste Aufgabe der Regierung, Stromerzeuger und andere Nutzer fossiler Rohstoffe zum Umbau ihrer Produktion entlang echter Bedarfe zu zwingen, statt zur Erzeugung von vermeintlichen Bedürfnissen. Und natürlich müssten Reiche und Konzerne über Steuern und Abgaben angemessen an der Finanzierung der Energie- und Klimawende beteiligt werden. Dazu gehört der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs in einer Weise, die es Berufstätigen ermöglicht, das Auto stehen zu lassen und trotzdem noch Lebenszeit jenseits der Maloche übrig zu haben. Und damit die wachsende Zahl derer auf dem Land, die sich kein Auto mehr leisten können, nicht von jeder Teilhabe ausgeschlossen ist.
Nötig wäre auch eine drastische Reduzierung des Verpackungsaufkommens und der Masse an Lebensmitteln, die auf dem Müll landen. Der Handel wird das Problem gewiss nicht lösen, denn sicher in Plastikbehältern Vakuumverpacktes ist besser zu transportieren und sorgt für längere Haltbarkeit.
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