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Anna Maria Mühe am Theater: Einmal lächeln, bitte!
An der Komödie am Kurfürstendamm gibt die Schauspielerin Anna Maria Mühe in Isobel McArthurs Stück »Stolz und Vorurteil *oder so« ihr Theaterdebüt
Sucht man die Komödie am Kurfürstendamm, findet man sie gewiss nicht, wo der Name es verspricht. Mit ihrer Schwesternbühne, dem Theater am Kurfürstendamm, war sie eine halbe Ewigkeit in der Berlin-Charlottenburger Flanierstraße beheimatet. Die beiden traditionsreichen, architektonisch sehr eindrucksvollen Theater aus den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt, danach wieder aufgebaut. Seit Jahrzehnten werden sie als Familienunternehmen betrieben und sorgen als Privattheater vor allem für leichtere Unterhaltung.
Aber ob sich in einem Gebäude nun Mietswohnungen oder vielleicht eine Weihestätte der Kultur befinden, ist in der Hauptstadt gegenwärtig herzlich egal. Alles wird an Investoren verscheuert. Und dann wird fleißig abgerissen, um Platz für Neues zu schaffen. Das sei als ein erstes Exempel Berliner Politik hier angemerkt.
Das zweite folgt auf der Stelle: Eine Interimsstätte war sogleich parat, hatte man doch dem Schillertheater als Bühne mit eigenem Ensemble im Freudentaumel um die Wiedervereinigung kurzerhand den Garaus gemacht. Nun beherbergt es gelegentlich die heimatlos gewordenen Kultureinrichtungen der Stadt. Da aber die Komische Oper Renovierungsbedarf angemeldet hat, muss die Komödie weiterziehen.
Nun bespielt sie also das Theater am Potsdamer Platz mit seinen fast 1800 Sitzplätzen. Damit wären wir bei Exempel Nummer drei: Denn das künstlich in die Stadt integrierte »neue Zentrum« ist auch nach Jahren noch ein Fremdkörper in der Landschaft. Zwischen Spielbank, Sony Center und gigantischem Kino durfte dennoch auch eine Musicalbühne nicht fehlen. Aber so gut lief es dann doch nicht. Neue Mieter dringend gesucht. Immerhin – die Komödie am Kurfürstendamm hat einen Unterschlupf.
Als erste Inszenierung unter neuem Dach hat man sich einen Hit an britischen Bühnen nach Berlin geholt: Isobel McArthurs »Stolz und Vorurteil *oder so«. Regie führte Christopher Tölle. Mit Anna Maria Mühe hat man sich außerdem für ein bekanntes Gesicht entschieden, und man mag gar nicht glauben, dass die Schauspielerin mit der Premiere am vergangenen Sonntag ihr Theaterdebüt gegeben hat.
Frei nach Jane Austen hat McArthur »Stolz und Vorurteil«, einen Klassiker der englischen Literatur des 19. Jahrhunderts, auseinandergenommen und neu verschraubt. So etwas geht nicht immer, auch in diesem Fall nicht, ohne Beschädigungen vonstatten.
»Fünf Schauspielerinnen verkörpern nahezu das gesamte Personal des Romans, dem die Geschichte trotzdem erstaunlich treu bleibt. Geschildert wird das alles aus der Perspektive von fünf Dienstmädchen. Inmitten von Slapstick, Popsongs und einer Liebesgeschichte entsteht dabei eine Erzählung von weiblicher Selbstbestimmung und ökonomischer Abhängigkeit.« So hat es die Komödie in ihrer Ankündigung versprochen.
Zwischen überzeichneten Spielszenen und der Nacherzählung des Entwicklungsromans im ironischen Plauderton bekommt man hier die Kurzfassung von Austens Werk um die fünf unverheirateten Bennet-Schwestern geliefert. Ironie ersetzt aber noch keine Kritik. Der versprochene Perspektivwechsel hätte durchaus interessant werden können. Aber hier werden keine Leerstellen gefüllt. Stattdessen wird auch das, was das Original zu bieten hat, unkenntlich gemacht. Denn um ökonomische Abhängigkeit und weibliche Selbstbestimmung geht es bei Austen sehr wohl auch. Wo gesellschaftliche Missstände genau liegen, wird dem Leser aber nicht mittels Hinweisschildern eingetrichtert. Ein aufgeklärtes und geneigtes Publikum versteht mitunter sehr viel mehr, als man vermuten würde.
Die schnell einkassierten Lacher in »Stolz und Vorurteil *oder so« gründen darauf, dass man hier lauthals herausposaunt, worüber sich sowieso alle einig sind. Das ermüdet an einem Abend, der sich bei einer Pause zwei Stunden und 40 Minuten Zeit lässt, schnell. Die fünf Darstellerinnen schaffen es nicht, dem durch ein nuanciertes Spiel Abhilfe zu schaffen. Die zahlreichen Rollenwechsel sind da wenig hilfreich. Ein unbeholfenes Lispeln oder ein schlecht durchgehaltener Akzent sollen zur Charakterzeichnung schon reichen. Vergeblich.
Und wie steht es um Anna Maria Mühe, die ihre schauspielerischen Qualitäten immerhin im Kino bereits unter Beweis gestellt hat? Auch sie verblasst auf der Bühne. Das ganze Ensemble wird letztlich zum darstellerischen Erfüllungsgehilfen einer Idee, die nicht so recht tragen will. Nicht jeder Bühnenabend beleuchtet die Abgründe der menschlichen Seele oder unterzieht Macht- und Beziehungsgefüge einer theatralen Überprüfung, aber auch ein Unterhaltungsprogramm sollte schon der Herausforderung gewachsen sein, sein Publikum wirklich zu unterhalten. Hier lädt so manche Szene eher zur Fremdscham denn zum Lachen ein.
Nächste Vorstellungen: 28., 29. und 30. April
www.komoedie-berlin.de
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