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Berliner Theatertreffen: Spiel’s noch einmal
Die 60. Ausgabe des Berliner Theatertreffens wird eröffnet
Was wurde schon geschimpft über das Berliner Theatertreffen, das wohl wichtigste Festival der darstellenden Künste im gesamten deutschsprachigen Raum! Die Auswahl sei zu mutlos, zu uninspiriert, zu ausgeglichen, der Kreis der Juroren zu eng. Auch der Autor dieser Zeilen hat sich in der Vergangenheit zu der einen oder anderen nörgeligen Bemerkung hinreißen lassen.
Zwei Ausgaben des Festivals, im Schatten der Corona-Pandemie, wurden ins Digitale verlegt. Das hat zwar das Publikum angestrengt, die Not wurde aber dennoch von den Theatermachern als Tugend gepriesen. Im letzten Jahr sollte dann alles wieder beim Alten sein. War es auch fast – allerdings, der Zuschaueransturm blieb aus. Von Publikumsschwund war gar die Rede.
Und in diesem Jahr? Es liegt Festivalstimmung in der Luft. Das Programm verspricht einige sehenswerte Spektakel. Auch das Publikum traut sich wieder heraus beziehungsweise hinein in den Zuschauersaal, und der Vorverkauf stimmt optimistisch. Manchmal weiß man erst, was man an einer Kulturinstitution hat, wenn sie ins Wanken gerät.
Der Defätismus ist in diesem Fall keine Gefühlsduselei, sondern hat seinen tieferen Grund. Mit dem Weggang des vormaligen Intendanten der Berliner Festspiele, Thomas Oberender, dem Matthias Pees in dieser Spielzeit nachgefolgt ist, hat auch die langjährige Leiterin des Theatertreffens, Yvonne Büdenhölzer, die das Haus interimistisch führte, ihre Funktion aufgegeben. Im Innovationswahn hat Pees gleich vier neue Leiterinnen in Position gebracht (von denen eine bereits sehr vorzeitig wieder die Segel gestrichen hat). Schnell hat man das Herzstück des Festivals, die siebenköpfige Kritikerjury, die alljährlich zehn bemerkenswerte Inszenierungen aus dem deutschsprachigen Raum einlädt, infrage gestellt. Mittlerweile hat man das etwas relativiert.
Aber der Stückemarkt, einstmals eine zentrale Einrichtung zur Förderung von Gegenwartsdramatik, wurde tatsächlich abgeschafft. Bereichert werden soll das Berliner Theatertreffen hingegen durch eine Öffnung gen Osteuropa sowie zehn dubiose Begleitveranstaltungen, die als »Treffen« bezeichnet werden und den Eindruck erwecken, man wäre zu Nachhilfestunden in zeitgenössischer Gesellschaftskunde verpflichtet und nicht zur Herausforderung durch Kunst eingeladen.
Die Zehnerauswahl jenseits des pädagogischen Beiwerks, die in den nächsten zweieinhalb Wochen auf den Seiten dieser Zeitung kritisch besprochen wird, lässt durchaus hoffen. Antú Romero Nunes, Schöpfer eines knalligen Poptheaters, wartet mit seinem »Sommernachtstraum« vom Theater Basel auf. Mateja Koležnik, die große Vertreterin eines psychologisch genau gebauten Erzähltheaters, das man einige Jahre hier schmerzlich vermissen musste, präsentiert Gorkis »Kinder der Sonne«. Es sind überhaupt die Klassiker, die offenbar ihr Comeback feiern.
Ein bisschen wird die Vorfreude geschmälert durch die eigenartige Fokussierung auf wenige Theaterregionen: Mit den Kammerspielen und dem Residenztheater in München, dem Schauspielhaus Bochum, dem Wiener Burgtheater, dem Deutschen Theater und der Volksbühne in Berlin sind vier Städte mit jeweils zwei Einladungen geehrt worden. Ein etwas weiterreichender Blick der Auswahljury wäre erfreulich gewesen.
Aus dem Kreis der finanziell solide ausgestatteten Großstadtbühnen fällt das Anhaltische Theater Dessau heraus. Die dort von Philipp Preuss besorgte Inszenierung von Shakespeares »Hamlet« wird ebenfalls im Rahmen des Theatertreffens zu sehen sein und verspricht, eine Entdeckung für die Zuschauer zu werden.
Das Berliner Theatertreffen findet vom 12. bis 29. Mai statt. Neben zehn Gastspielen aus dem deutschsprachigen Raum wird ein umfangreiches Begleitprogramm in verschiedenen Spielstätten Berlins gezeigt. Ausführlicher Spielplan unter: www.berlinerfestspiele.de/theatertreffen
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