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- Die gute Kolumne
Alles leuchtet golden
Die deutsche Gegenwartsliteratur ist die langweiligste und schlechteste der Welt
Die Wahrheit ist: Die deutsche Literatur der Gegenwart ist die langweiligste der Welt. Und vermutlich auch die am schlechtesten geschriebene. Was natürlich daran liegt, dass weder das Gros der deutschen Schriftsteller und Verlagstrottel noch die Masse der deutschen Leser das Geringste von Literatur verstehen. Allerdings spricht darüber niemand offen. Im Gegenteil: Die vom deutschen Literaturbeamtentum auf Dauerbetrieb geschaltete Literatursimulation funktioniert wie geschmiert.
Das fiel mir auf, als ich neulich im Ruheraum der Sauna einen aktuellen »Spiegel«-Belletristik-Bestseller herumliegen sah und, bereits vor dem Aufschlagen des Buchs starr vor Angst, mutig einen Blick hineinwarf. Prompt wurde ich nicht enttäuscht: »Als ich Sand unter meinen Füßen spüre, ist das einer der besten Momente meines Lebens. Wir haben es geschafft. Zusammen können wir alles schaffen, denke ich kurz, während wir uns in den Sand fallen lassen (…).«
Thomas Blum ist grundsätzlich nicht einverstanden mit der herrschenden sogenannten Realität. Vorerst wird er sie nicht ändern können, aber er kann sie zurechtweisen, sie ermahnen oder ihr, wenn es nötig wird, auch mal eins überziehen. Damit das Schlechte den Rückzug antritt. Wir sind mit seinem Kampf gegen die Realität solidarisch. Daher erscheint fortan montags an dieser Stelle »Die gute Kolumne«. Nur die beste Qualität für die besten Leser*innen! Die gesammelten Texte sind zu finden unter: dasnd.de/diegute
Gegen diese Mischung aus Ödnis, Kitsch, Heiler Welt und Teambuilding-Kalendersprüchen wirkt selbst die Lektüre der aktuellen Erzeugnisse jener westdeutschen rüstigen Literaturrentner (Biller, Goetz, Goldt usw.), die ihre beste Zeit in den 80ern hatten, wie das reinste Adrenalin.
Das Auffälligste an dieser Sorte Gegenwartsromane ist ihre Biederkeit: Die Romanprotagonistinnen sind feenhafte Wesen mit auf Sparflamme gedrehtem Intellekt. Männliche Romanfiguren sind weißblond, sportlich, durchtrainiert und haben ein »schmales, markantes, gebräuntes Gesicht« und »eisblaue Augen«, entsprechen also ungefähr dem Typus, den Himmler gern in der SS gesehen hat. Die Wellen des Meeres sind »krass schön«, ein Kopiergerät ist »doof«, ein Reklameschriftzug ist »ziemlich cool« und eine gewonnene Wette ist »schon stark«. So klingt Weltliteratur heute.
Der mit dem Wortschatz eines Elfjährigen erzählte Stoff, changierend zwischen zartbitterer Liebesgeschichte, Altklischeesammlung und Schicksalsmelodie, soll »Lebensmut« machen, zur Erbauung dienen, für Beruhigung und Entspannung sorgen und sich auf dem Designersofa bei einem Tässchen lauwarmen Kurkuma-Ingwer-Tee gut lesen lassen. Prosa wie »ein Fön für das gefrorene Meer in uns, und der läuft auf der kleinsten Stufe« (Hans Mentz, »Titanic«). Das aus der Adenauerzeit stammende Geschlechterbild, das ja derzeit eine Renaissance erlebt, wird derweil vom Leser gern in Kauf genommen (er: »seine geradlinigen, schnellen, kraftvollen Züge« / sie: »ich schaue mir den pastelligen Abendsonnenhimmel an«).
Das Schlimmste angesichts dieses ganzen biedermeierlichen Rotzes, der Monat für Monat die Buchhandlungen überflutet, ist, dass jetzt auch noch die Generation Z meint, mit dem »Literatur«-Schreiben anfangen zu müssen. Also jene mit einer Extraportion Narzissmus ausgestatteten Leute, die sich nur für sich selbst, ihr eigenes Fortkommen und ihren Instagram-Account interessieren und einen Nervenzusammenbruch erleiden, wenn man ihnen für drei Sekunden ihr Smartphone wegnimmt.
Die Hauptvoraussetzungen fürs Autorendasein im Spätkapitalismus sind bei ihnen vorhanden: extreme Selbstüberschätzung, ein ausgeprägter Hang zu Selbstdarstellung, ein schlichtes Knack-und-Back-Mindset und Strom-kommt-aus-der-Steckdose-Gesinnung. Gern posieren sie für PR-Fotos ihres Verlags (dessen Funktionäre auch keine Scham kennen) in Kleidchen mit Leopardenmuster und schauen neckisch-frech-verführerisch in die Kamera (weiblich) oder geben mit Brad-Pitt-Blick, vor der Brust verschränkten Armen, Man Bun und Intellektuellenbrille oder -schal den sanften Mansplainer (männlich). Das beliebteste Motiv, das die Verlage für ihre auf Schutzumschläge gedruckten Autorenfotos wählen: Autor und/oder Autorin, gönnerhaft lächelnd, an einen Baumstamm gelehnt. Mit einem Blick, der so viel sagt wie: »Nichts tue ich lieber, als mit nichtswürdiger Wohlfühlprosa ordentlich Kohle abzugreifen.«
Die Literatur, die sie produzieren, liest sich wie ein Groschenheftchen aus der Reihe »Der Bergdoktor«: »Mein warmer Körper zuckt zusammen und ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken.« – »Aber dann kommt an dem braungrauen Tag die Abendsonne heraus, und alles leuchtet golden und glitzert. Und der Duft. Magie.«
Jeder einzelne Satz die Kopie einer Kopie einer Kopie. Noch die armseligste Fanfiction aus dem Internet kommt einem dagegen vor wie der reinste Joyce. Doch die wie von einer KI im Schnellverfahren aus Fertigbauteilen zusammenmontierte Schmalzprosa wird heute nicht etwa von der Literaturkritik ausgelacht, wie sie’s verdient hätte, sondern wird schnurstracks zum »Spiegel«-Bestseller (»Platz 1«) und von den immergleichen TV-Nervtröten, die uns als »Literaturkritiker« oder »Literatur-Expertinnen« verkauft werden, zuverlässig mit den Etiketten »atemberaubend«, »authentisch« und »beeindruckend« versehen.
Ich bin mir nicht sicher, ob in einer besseren Zukunft nicht andere Romane publiziert und gelesen werden sollten. Sicher ist jedenfalls: Vom Erwerb der Romane Caroline Wahls rate ich ab.
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