Kriminalitätsstudie: Deutsche machen Ausländer kriminell

Neue Studie zeigt, dass vor allem der Wohnort darüber entscheidet, ob Menschen straffällig werden

Gedenken gegen rechts: Nach den Anschlägen in deutschen Großstädten nahm die Zahl der rassistischen Übergriffe zu
Gedenken gegen rechts: Nach den Anschlägen in deutschen Großstädten nahm die Zahl der rassistischen Übergriffe zu

Scharlatane wissen: Man muss einen Schwindel nur oft genug wiederholen, irgendwann verkehrt er sich ins Gegenteil. Die Idee, Migrant*innen gefährdeten die Sicherheit Deutschlands, wurde schon zur Genüge wiedergekäut. Wie Quacksalber preisen Politiker Abschiebung und Abschottung als Wunderpille an. Auf linker Seite ist man darum bemüht, den Falschinformationen Einhalt zu gebieten.

Beispiel Demokratieproteste. Derzeit ist dort ein Satz zu hören: »Nicht der nationale Hintergrund ist das Problem bei den Tätern, sondern dass es Männer sind.« Und es stimmt: Über 80 Prozent aller Tatverdächtigen und Verurteilten in Deutschland sind Männer. Laut einer Studie des ifo-Instituts gibt es aber einen noch bedeutenderen Faktor, über den weitaus weniger gesprochen wird: der Wohnort von Straftätern.

»Ausländer sind überrepräsentiert, weil sie häufiger in Ballungsräumen mit mehr Kriminalitätsdichte leben.«

Jean-Victor Alipour ifo-Institut

Die Wirtschaftswissenschaflter Joop Adema und Jean-Victor Alipour untersuchten die sogenannte Ausländerkriminalität in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) der vergangenen Jahre. Das bedarf einer Vorbemerkung: Die PKS erfasst nicht begangene Straftaten, sondern lediglich die Tatverdächtigen. Personen mit Migrationsgeschichte werden allerdings – rassistischer Vorurteile sei Dank – besonders häufig eines Verbrechens bezichtigt; und nicht angezeigte Straftaten tauchen in der PKS überhaupt nicht auf. Überhaupt ist fraglich, welche Aussagekraft das Label »Ausländer« in diesem Zusammenhang hat, schließlich wirft es eine höchst unterschiedliche Gruppe in einen Topf, deren einzige Gemeinsamkeit es ist, nicht die deutsche Staatsangehörigkeit zu haben.

2023 war die so erfasste »Tatverdächtigtenrate« von Ausländern ungefähr dreimal so hoch wie die von Deutschen. Zieht man allerdings eine Vergleichsgruppe heran, die sich in Geschlecht, Alter, Bildung und Einkommen ähnelt, dann verschwinden diese Unterschiede. Die nun vorgelegte Untersuchung rückt einen weiteren Einflussfaktor in den Vordergrund: »Ausländer sind zum Großteil deshalb in der Statistik überrepräsentiert, weil sie häufiger als Deutsche in Ballungsräumen mit mehr Kriminalitätsdichte leben«, so Ko-Autor Alipour gegenüber dem ZDF. Den größten Einfluss auf die lokale Kriminalitätsrate hat dabei nicht der Ausländeranteil, sondern die »Inländer-Tatverdächtigtenrate«, also wie viele Deutsche laut PKS verdächtigt werden, Straftaten begangen zu haben. Einfach ausgedrückt: Wo Deutsche kriminell sind, werden Ausländer es auch.

Um den gegenteiligen Effekt auszuschließen, betrachteten Adema und Alipour den Zusammenhang über einen längeren Zeitraum. »Zwischen 2018 und 2023 ist kein Zusammenhang zwischen einer Veränderung im regionalen Ausländeranteil und der lokalen Kriminalitätsrate festzustellen«, erklärt Alipour.

Ist das nicht ein Widerspruch? Wie ist es möglich, dass Ausländer häufiger straffällig werden, Migration aber insgesamt keinen Einfluss auf die Kriminalität hat? Entscheidend ist die Betrachtungsebene: Migrant*innen sind nicht krimineller als Personen ohne Migrationsgeschichte; wenn sie also in eine Stadt ziehen, verändert sich die Kriminalitätsrate vor Ort nicht wesentlich. Da sie aber häufiger in Gegenden ziehen, in denen eine überdurchschnittliche Kriminalität herrscht, steigt die Kriminalitätsrate von Ausländern auf nationaler Ebene.

nd.Kompakt – unser täglicher Newsletter

Unser täglicher Newsletter nd.Kompakt bringt Ordnung in den Nachrichtenwahnsinn. Sie erhalten jeden Tag einen Überblick zu den spannendsten Geschichten aus der Redaktion. Hier das kostenlose Abo holen.

Das Ergebnis der Studie veränderte sich auch nicht, als die Autoren nur Schutzsuchende betrachteten. Genauso wenig wie eine Aufschlüsselung der Delikte. Unter Betrachtung von Wohnort, Alter und Geschlecht war auch bei schweren Straftaten wie Mord und Totschlag oder bei Sexualdelikten kein Einfluss der Staatsangehörigkeit zu erkennen.

Wenn es also nicht die Herkunft, sondern der Ankunftsort ist, der zu einer höheren Kriminalität führt, sind die Gegenmaßnahmen naheliegend: Integrationsmaßnahmen wie Sprachkurse senken das Risiko, straffällig zu werden, genau wie ein erleichterter Zugang zum Arbeitsmarkt und ausreichende Sozialleistungen. Aufgrund ihres Studienergebnisses schlagen die ifo-Forscher vor, auch die regionale Verteilung von Asylsuchenden anzupassen und dabei die lokale Kriminalitätsbelastung miteinzubeziehen. Doch all das sind Maßnahmen, die Zeit brauchen, um ihre Wirkung zu entfalten – und keine Wunderpillen.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.