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Aufrüstung an der Börse
Die Aktienkurse klettern, aber die Militärindustrie bleibt in Deutschland eine kleine Branche
Politische Börsen haben kurze Beine. Dieses Sprichwort tröstet zurzeit manchen Anleger. So stürzen die Kurse von Tesla, Amazon, Microsoft und anderen US-Technologieaktien ab, weil die Politik von Präsident Donald Trump als wankelmütig empfunden wird. Diesem Konjunkturpessimismus begegnet die Eurozone – die noch bis vor Kurzem als wirtschaftlich schwächelnd galt – plötzlich mit Wachstumsoptimismus, seit dort ein Rüstungsprogramm in Rekordhöhe geplant wird und Deutschland die Schuldenbremse lockert. Gewinner an der Frankfurter Börse war in der vergangenen Woche denn auch mit Abstand die Aktie von Rheinmetall. Sie legte mehr als 20 Prozent zu. Und die Rüstungsrallye an der Börse lief auch in dieser Woche weiter.
Deutschlands größter Rüstungskonzern ist nun dabei, im Deutschen Aktienindex, der die größten börsennotierten Gesellschaften abbildet, zum Schwergewicht aufzusteigen. Banken, Fondsgesellschaften und Vermögensverwalter, die letztlich durch Kauf oder Verkauf über den Aktienkursverlauf an der Börse entscheiden, »preisen« in ihren Entscheidungen vornehmlich die Zukunft ein. In diesem Fall ist es aber auch die Gegenwart. Mehr Geld fließt in Verteidigung – und davon profitiert der Bundeswehrlieferant Rheinmetall besonders stark. Der Umsatz stieg 2024 um 36 Prozent auf rund 9,75 Milliarden Euro, wie das Unternehmen kürzlich mitteilte. Der Gewinn schoss sogar um 61 Prozent in die Höhe und erreichte mit rund 1,48 Milliarden Euro einen Höchstwert. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges und der veränderten Weltpolitik kauften auch andere Nato-Staaten vermehrt bei Rheinmetall ein. Für den Konzern arbeiten mehr als 30 000 Menschen in 30 Ländern; produziert wird auch in zwei Werken in der Ukraine.
In der Düsseldorfer Firmenzentrale liegen mittlerweile Anfragen und Bestellungen im Wert von 55 Milliarden Euro vor – für Munition und Panzer, für Militär-Lkw, Raketen, Luftverteidigungssysteme, Drohnen und digitale Waffentechnik.
Das sind 17 Milliarden mehr als im Vorjahr und so viel wie nie zuvor. Um der Bestellungen Herr zu werden, sollen Tausende Beschäftigte eingestellt werden. Außerdem ist geplant, einen Teil der 22 zivilen Werke, die bislang für die Autoindustrie produzieren und an Bedeutung verlieren, auf Militärtechnik umzurüsten.
Eine neue Epoche
Bislang gehört die Rüstungswirtschaft zu den kleinen Industriezweigen in Deutschland. Doch in Europa habe eine Epoche der Aufrüstung begonnen, sagt Rheinmetall-Chef Armin Pappberger. Davon profitieren auch andere Unternehmen. So erfreut sich die Renk Group, die Spezialgetriebe für Panzer und Fregatten sowie Fahrwerke für Militärfahrzeuge baut, in dieser Woche besonderen Zuspruchs: Die Bank of America hat das Kursziel der Aktie deutlich angehoben und empfiehlt »kaufen«. Ebenfalls ehrgeizige Wachstumsziele hat die einst aus Airbus hervorgegangene Hensoldt AG, ein Spezialist für Radartechnik und elektronische Kriegsführung. Andere Rüstungsfirmen spielen auf dem Börsenparkett hingegen bestenfalls eine Nebenrolle. Ein Sonderfall ist der Luftfahrtriese Airbus, bei dem der Rüstungsanteil am Gesamtumsatz mit knapp 20 Prozent zu niedrig ist, um den Kurs zu treiben. Und der Weltmarktführer im U-Boot-Bau, TKMS in Kiel, kann sich zwar ebenfalls vor Aufträgen kaum retten, geht aber im angeschlagenen Stahlkonzern Thyssen-Krupp unter.
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Risikofreudige Investoren schätzen im Rüstungsbereich derweil besonders Start-ups. In junge, innovative Firmen wird gerne milliardenschweres »frisches« Kapital investiert, in der Hoffnung auf überdurchschnittliche Renditen. Als Star gilt hier Helsing, ein Münchner KI-Spezialist und Hersteller von Kampfdrohnen für die Ukraine.
Ob politische Börsen auch im Fall der Rüstungsindustrie kurze Beine haben, wird sich noch erweisen müssen. Einige deutsche Ökonomen wie Moritz Schularick vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel machen sich für vermehrte Rüstungsanstrengungen stark, um damit Innovationen und Wachstum anzukurbeln. Linke Ökonomen wie Rudolf Hickel halten davon nichts: Ein Großteil der Verteidigungsausgaben fließe in Personalkosten und Verwaltung, sei also rein konsumtiv, meint er. Direkte öffentliche Investitionen in zivile Forschung und Entwicklung seien wirksamer als mögliche technologische »Spillover-Effekte« des Militärbereichs für zivile Branchen.
Obwohl auch andere Unternehmen zumindest indirekt von Militäraufträgen profitieren, wird die volkswirtschaftliche Bedeutung der Rüstungsindustrie oft überschätzt. Hierzulande ist sie eine eher kleine Branche, stellt Klaus-Heiner Röhl vom arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln heraus. Daran hätten auch die Steigerungen der vergangenen drei Jahre nichts geändert. Laut IW haben die reinen Rüstungshersteller bundesweit aktuell rund 60 000 Beschäftigte – das ist weniger als ein Prozent im verarbeitenden Gewerbe.
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