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Selenskyj beschwört »chinesische Bedrohung«
Ukraine hofft auf größeren Beistand durch Washington
Für Wolodymyr Selenskyj sind sie der ultimative Beweis, dass Peking im Ukraine-Krieg aktiv mitmischt. Am Dienstag verkündete der ukrainische Präsident, dass seine Armee zwei chinesische Soldaten im Donbass gefangengenommen hat. Dokumente und Bankkarten würden die Herkunft der Männer bestätigen. Zudem habe man Informationen, dass noch mehr Chinesen für Russland kämpfen, sagte Selenskyj, der kriegsrechtswidrig ein Video eines Gefangenen veröffentlichte.
»Das erfordert unbedingt eine Reaktion«, drängte Selenskyj. Doch außer von Litauen, das in letzter Zeit immer offener rechts auftritt und »keinen Zweifel« an der Rolle Chinas sieht, kam bisher so gut wie gar nichts. Peking wies die Behauptung Selenskyjs am Mittwoch zurück. Dafür gebe es keine Grundlage, hieß es aus dem Außenministerium. Die chinesische Regierung habe ihre Bürger stets aufgefordert, sich von Gebieten mit bewaffneten Konflikten fernzuhalten und sich nicht an militärischen Aktionen der einen oder anderen Seite zu beteiligen, sagte Außenamtssprecher Lin Jian. Die Nachrichtenagentur AFP schrieb, dass die beiden Kämpfer möglicherweise aus eigenem Antrieb Verträge mit der russischen Armee unterschrieben.
Selenskyj will Keil zwischen Moskau und Peking
Solange die genaue Herkunft der beiden Gefangenen nicht geklärt ist, wird Selenskyj versuchen, sie als Mittel zu nutzen, um US-Präsident Donald Trump davon zu überzeugen, dass dessen Plan, China von Russland »loszureißen«, nicht erfolgreich sein wird und die USA gemeinsam mit der Ukraine diese Allianz abwehren müssen. Noch am Dienstag sagte Selenskyj, dass er nun auf die Wiedereinführung des Ramstein-Formats hoffe.
Obwohl China de facto bereits seit Langem Hauptverbündeter Russlands ist und beispielsweise bei der Umgehung westlicher Sanktionen hilft, hat Selenskyj eine direkte Konfrontation mit Peking vermieden und stattdessen Bereitschaft zum Dialog signalisiert.
Kiew beschwört »chinesische Bedrohung« herauf
Nun die Wende. Die Gefangennahme der beiden Männer und der aufziehende Handelskrieg zwischen China und den USA haben im ukrainischen Präsidentenbüro zum Umdenken geführt. Um die Beziehung zu Trump zu verbessern, hofft man dort, das Thema der »chinesischen Bedrohung« wirkungsvoll ausspielen zu können.
Kiew geht damit jedoch ein Risiko ein. Bisher hat Washington nicht reagiert, wie erhofft. Erst spät rang man sich dort zu einem »Wir sind zutiefst beunruhigt«-Kommentar durch, ohne aber an Selenskyjs Seite zu rücken. Zumal der Fokus USA gerade auf dem von Trump ausgelösten Zollkrieg mit der ganzen Welt und insbesondere China liegt.
Peking kann Kriegsverlauf entscheidend verändern
Dabei ist China das einzige Land, das den Verlauf des Krieges in der Ukraine wirklich entscheidend beeinflussen kann. Schließlich ist man führender Produzent der wichtigsten Waffe auf dem Schlachtfeld – Drohnen. Chinesische Teile machen den Löwenanteil der Drohnen aus, die in der Ukraine produziert werden.
Als weitaus größere Gefahr sieht das Nachrichtenportal »Strana« aber, dass China Russland Millionen Drohnen und Systeme für elektronische Kampfführung geben kann, wenn es will. Und dazu sogar noch Tausende Drohnenpiloten, die auf diese Weise Kampferfahrung sammeln könnten.
Drohnen sind die wichtigste Waffe des Ukraine-Krieges
Sollte das geschehen, würde sich die Situation an der Front grundlegend ändern. Denn praktisch alle größeren Kämpfe der vergangenen Monate zeigen, dass Luftüberlegenheit durch Drohnen der wichtigste Faktor für den Erfolg von Offensiven sind. Hinzu kommen immer mehr Roboter am Boden, die China auch in großer Zahl herstellen kann.
Bisher hat China Russland nicht offen unterstützt, auch, um die Beziehungen zum Westen nicht zu belasten, seinem Haupthandelspartner. Kommt es wirklich zu einem Handelskrieg, spielt dieser Faktor kaum noch eine Rolle. Für die Ukraine wäre das eine Gefahr.
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