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Drei Fragezeichen für Linke

Ein Online-Fortsetzungsroman aus der antifaschistischen Bewegung

Schülerinnen und Schüler einer westdeutschen Großstadt machen die Erfahrung, dass das Übermalen von faschistischen Sprüchen an ihrem Gymnasium mindestens genauso ablehnend beurteilt wird wie die zuvor angebrachten Nazi-Parolen. Daraufhin organisieren sie sich und gründen eine Schüler-Antifa. Die Mittelschichtkinder stoßen dabei auf Ablehnung, aber auch auf Sympathien, sowohl bei einzelnen Lehrern als auch bei den eigenen Eltern. Ihre mutigen Aktionen lassen die örtlichen Nazis hellhörig werden.

Diese Geschichte erzählt der antifaschistische Jugendroman »Gegen die halten wir zusammen«, der online in wöchentlicher Fortsetzung bei autonomie-magazin.org erscheint. Dem Autor Horst Schöppner gelingt es, die Erzählung mit teils humorvollen Dialogen spannend aufzuschreiben. Die Leserschaft weiß oft mehr als die jeweiligen Romanfiguren und darf aufgeregt mitfiebern: Was lassen sich die Akteure jetzt einfallen? Welche Reaktion wird auf diese Tat folgen? Was plant die Gegenseite? So wird das Werk auch zu einer Detektivgeschichte, ähnlich wie die Bücher aus der Reihe »Die drei ???«.

Zugleich ist es ein aufklärendes Buch, eine Art Handbuch über die Arbeit der Geheimdienste und Polizei, über Observation und Überwachung, Handy-Ortung und Datensicherheit. Die politisch aktive Leserin erhält Anregungen, worauf sie diesbezüglich achten kann, ohne dass die Lektüre technisch wird.

Die Schulversammlung, bei der die Schülerinnen und Schüler aus verschiedenen politischen Spektren zusammenkommen und in Diskussion geraten, stellt die unterschiedlichen Auffassungen von Demokratie dar. Aus der Beschreibung dieser Zusammenkunft geht auch hervor, warum es heute heißt, Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.

Damit diese Vermittlung und die Erzählung insgesamt so kompakt funktionieren können, sind die Charaktere teils überzeichnet. Sie stehen exemplarisch für eine politische Strömung und geben die politische Wirklichkeit kompakt erzählt wider. Zudem haben wir es mit teils hochpolitisch diskutierenden Personen zu tun, die Klarheit und Entschlossenheit ausdrücken, aber auch ihre inneren Widersprüche zeigen, so beispielsweise die taff erscheinende Mutter, die plötzlich gegenteilig reagiert, als sie ihre Tochter in Gefahr sieht. Ähnlich die ängstliche Schülerin, die durch ihr Verhalten Aktionen gefährdet und trotz großer Geduld ihrer Freundinnen und Freunde scheinbar nicht dazulernt und immer wieder alles besorgt problematisiert.

Der Roman spricht Themen an, mit denen sich junge Aktivistinnen und Aktivisten beschäftigen: Es geht um Schulunterricht und Lehrer, um Homosexualität und Prostitution, um Bündnisarbeit und politische Organisierung und um unterschiedliche Politikformen junger und alter Linker. Es geht des Weiteren um Blockaden von Nazi-Aufmärschen und staatliche Anquatschversuche, um Gerichtsprozesse und an reale Nazi-Anwälte erinnernde Figuren – und natürlich darf auch die obligatorische Liebesgeschichte nicht fehlen. Die Hauptfiguren reflektieren irgendwann selbst die dichte Erzählung des Romans, indem sie feststellen, dass in nur wenigen Wochen der politischen Auseinandersetzung mit den Nazis sich einiges Neues ergeben und vieles verändert hat.

Viele Geschichten erinnern an Politisierungsprozesse oder die alltägliche politische Praxis: Eine Gruppe initiiert ein Treffen und bereitet es vor. Dann merkt sie schnell: Die Einzelpersonen, die gekommen sind, sind individuell wichtig, aber keine hat sich ebenso intensiv Gedanken wie die Vorbereitungsgruppe gemacht. Dementsprechend verläuft das erste Treffen mit verschiedenen Wortbeiträgen, aber ohne roten Faden und etwas chaotisch. Von den Eingeladenen kommt insgesamt nur wenig Inspiration. Aber daraus lernt man und resümiert: »Klar war’s ein bisschen inszeniert, aber trotzdem echt. Wir haben nur den Anfang gemacht. Der Rest ergab sich mit allen zusammen. Manchmal muss man einen Anstoß geben. Was weiter passiert, darauf haben wir zwar einen gewissen Einfluss, können es aber nicht vorherbestimmen.«

In Dialogen oder gedanklichen Selbstgesprächen werden wiederholt in Rede und Gegenrede die sich widersprechenden Punkte erwogen. Die Gespräche der linken Gymnasiasten vermitteln der Leserin auch Faschismustheorien und erläutern, dass sich Antifaschisten – im Gegensatz zu Faschisten – für eine bessere Welt für alle einsetzen und bei ihren Angriffen auf Nazis keine Waffen nutzen, die tödlich sind.

Vor 90 Jahren wurde die Antifaschistische Aktion ins Leben gerufen. Antifaschismus gilt bis heute als wichtiges linkes »Old School«-Thema. Die »alte Schule« blitzt auch im Roman auf, wenn ein heute nicht mehr zeitgemäßer Begriff wie »ausländerfeindlich« fällt oder von »Glühbirnen« die Rede ist oder wenn ohne vorherige Triggerwarnung brutale Nazi-Gewalt und sexualisierte Gewalt beschrieben werden.

Ebenso ist die Form der Veröffentlichung, als Fortsetzungsroman wie in Zeitungen der 80er Jahre, Old School. Aber schon die ersten Zeilen der Veröffentlichung holen die Geschichte in die Gegenwart: Das Buch ist den Antifaschistinnen und Antifaschisten um Lina E. gewidmet, die seit über zwei Jahren im Knast sitzt und derzeit vor dem Oberlandesgericht in Dresden wegen Angriffen auf Nazis angeklagt ist.

In den 90er Jahren hat innerhalb antifaschistischer Strukturen eine Organisierung eingesetzt, getrennt nach Geschlechtern, und es sind autonome Frauen- und Männergruppen entstanden. Dieser Konflikt deutet sich in einzelnen Bemerkungen der Schülerinnen und Schüler über männliches Dominanzverhalten und Individualismus an. Auch die unreflektierte Benutzung mancher Wörter, die man einem Zehntklässler noch verzeihen kann, wird die Romanfiguren in ein paar Jahren in große Konflikte und Auseinandersetzungen zwischen FLINTA*, Trans-Personen, BiPocs und weißen Cis-Männern führen. Wetten, dass es in einer Fortsetzung des Romans zumindest FLINTA*- und Männerplena geben wird?

Aber bevor ein zweiter Teil erscheint, werden die über 50 Kapitel bis zum Jahresende 2023 vollständig veröffentlicht sein. So lange müssen die interessierten Leser*innen auf das Ende warten – wenn sich kein Verlag findet, der die ganze Geschichte vorher als Buch publizieren wird.

Horst Schöppner: »Gegen die halten wir zusammen.« Erscheint wöchentlich bei autonomie-magazin.org.

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